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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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müsst Euch keine Sorgen um sie machen.«
    Amra teilte diese Ansicht. Die kleine Prinzessin wirkte alles andere als unsicher oder ängstlich. Amra betrachtete fasziniert, wie sie jetzt ohne jede Scheu zu einer der Schatztruhen ging, eine Hand voll Münzen herausnahm und in die Menge des Volkes warf.
    »Dies schenkt euch Mathilde, Herzogin von Sachsen und Bayern!«, rief sie mit klingender Stimme, ein Signal für Melisande und die anderen Brautjungfern und Pagen, nun ihrerseits mit dem Verteilen der Geschenke zu beginnen.
    Amra griff verwirrt in die Kisten voller Gold und Silber, stellte aber bald fest, dass es sich um eher kleine Münzen handelte. Dennoch strahlten die Augen der Menschen, die sie damit bedachte, wie Melisande und die anderen den Spruch der Herzogin wiederholend. In den nächsten Stunden nahm sie Segens- und Glückwünsche für ihre neue Herrin entgegen, besonders die Bettler und ärmeren Bürger flehten um die Güte Gottes für Herzogin Mathilde.
    Schließlich formierte sich der Zug wieder, und Amra und Mariana fanden sich erneut neben Melisande. Die junge Kammerfrau war offensichtlich zufrieden mit ihrer Leistung – Amra und Mariana hatten eifriger gewirkt als die anderen Edelfrauen. Melisande lotste sie denn auch gleich nach Betreten des Hofes hinter dem Bischofspalast in die Küche und organisierte Brei, Suppe, Brot und Braten, und die Frauen langten beherzt zu.
    »Was seid Ihr eigentlich?«, fragte Amra schließlich ihre neue Freundin. »Kammerfrau, Zofe, Freie oder Unfreie?« Vielleicht verriet die Antwort ja auch etwas über Amras eigene künftige Stellung an Mathildes Hof.
    Melisande lachte laut auf. »Aber nein, doch keine Unfreie! Wir alle, die der Herzogin dienen, sind von hohem Adel.«
    Amra biss sich auf die Lippen. Aber Melisande schien zum Glück nicht beleidigt.
    »Wir wurden alle am Hof der Königin erzogen«, erklärte sie weiter. »Wir sprechen mehrere Sprachen, verstehen uns auf Musik und Dichtung … Frau Eleonore führt einen Minnehof, wisst Ihr.«
    Amra hatte davon schon gelesen. Minnehöfe mussten der Schule der Odalisken ähnlich sein, in der Basima und Dschamila ausgebildet worden waren. Deren Schilderungen waren ihr noch seltsam vorgekommen, aber langsam begriff sie, dass die Mädchen des Adels kaum mehr Freiheit hatten als die orientalischen Sklavinnen und dass es auch ihnen besser erging, wenn sie rechtzeitig lernten, ihre Herren zufriedenzustellen.
    »Aber was wird denn jetzt aus euch allen?«, fragte Amra neugierig weiter. »Werdet ihr nicht verheiratet? Bleibt ihr einfach bei der Herzogin?«
    Melisande schüttelte den Kopf. »Nein, nein, wir werden natürlich verheiratet. Die Herzogin und der Herzog werden Ritter für uns finden. Aber zunächst verbleiben wir ein paar Jahre am Hof der Frau Mathilde. Einige der Mädchen sind auch schon versprochen – Männern in deutschen Landen oder in Dänemark und Italien. Die reisen von hier aus weiter, sie dienten der Herzogin nur als Ehrenjungfrauen. Allein ihre engeren Freundinnen und ich, wir bleiben länger.«
    Amra fand es seltsam, dass die kleine Mathilde nun bald ihrerseits anfangen sollte, Ehen zu stiften. Aber jedenfalls würde ihr Hof nicht so groß werden, wie sie zunächst gedacht hatte. Also vielleicht hatte sie doch noch eine Chance, zu ihrer Vertrauten und Freundin zu werden.
    Magnus und seine Ritter begleiteten das Brautpaar nach Braunschweig. Zwischen Minden und der Residenz des Herzogs Heinrich lagen achtzig Meilen, und die große Hochzeitsgesellschaft kam natürlich nur langsam voran. Deshalb war schon im Voraus geplant worden, eine Nacht auf einer Burg zu verbringen, die auf halber Strecke lag. Deren Herr hatte ein aufwendiges Bankett für seinen Herzog und dessen junge Frau ausgerichtet.
    »Es wird ihn ruinieren«, schwatzte Melisande, die Mathilde geholfen hatte, sich für das Fest hübsch zu machen, und dabei ein bisschen hinter die Kulissen blicken konnte. »Was all das kostet, das Festmahl für die hohen Gäste und die Verpflegung für all die Ritter und Mädchen, die Zelte, die Ställe …«
    Auf der Burg war bereits alles für die Hochzeitsgesellschaft vorbereitet worden. Man hatte Zelte und provisorische Stallgebäude aufgestellt, am Spieß brieten bereits ganze Ochsen für die Ritter und Knappen. Hunderte von Enten und Gänsen waren geschlachtet worden, Dutzende von Köchen und anderem Küchenpersonal eingestellt. Da der Saal des Burgherrn nicht genug Platz für das gesamte Gefolge bot, servierte man

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