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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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andere, imponierend wirkende Panzerreiter vom Pferd tjostete und sie dann auch im Schwertkampf besiegte. Bewegender hingegen als die Kämpfe selbst empfand Amra das Zeichen, unter dem Magnus von Lund in den Kampf ritt: ein Streifen edlen grünen Tuchs, abgerissen von einem Schal.
    »Das … das ist von mir«, murmelte Amra ungläubig, als sie das Zeichen erkannte, das Magnus an seiner Lanze trug. »Das ist ein Stück von dem Schal, den ich damals im Boot gelassen hab …«
    Mariana lächelte. »Er hat es gefunden. Und so ausgeblichen, wie es wirkt, trägt er es wohl seitdem in jedem Kampf.«
    Amra errötete. »Aber …«
    Mariana zuckte die Achseln. »Du kannst es zurückfordern«, meinte sie. »Aber solange du das nicht tust …«
    Am nächsten Turniertag gewann Magnus einen weiteren Kampf und gehörte damit zu den vier letzten Teilnehmern in diesem Wettstreit. Amra traf ihn auf dem Abreiteplatz, von dem aus sie die letzten Kämpfe beobachten wollte. Sie sprach kein Wort mit ihm und versuchte, ihn nicht anzusehen. Aber sie forderte ihr Zeichen auch nicht zurück.

Kapitel 5

    M agnus beendete die Ritterspiele schließlich als Drittplatzierter, und Amra konnte vom Rand des Abreiteplatzes aus zusehen, wie die junge Herzogin ihm eine Goldkette als Auszeichnung überreichte und eins ihrer Mädchen aufrief, ihn mit einem Kuss zu ehren. Mathilde wählte ein sehr hübsches, hellblondes junges Mädchen, und Amra schalt sich dafür, dass sie ohnmächtige Wut empfand, als es mit verschämtem Kichern aufstand und einen zarten Kuss auf Magnus’ Wange drückte. Der junge Mann errötete verlegen.
    Amra floh, als er ihr sein Pferd zuwandte, bevor er zum anschließenden Buhurt, einem Mannschaftswettkampf, weiterritt. Sie wollte nicht hören, ob er vielleicht lieber sie geküsst hätte, und erst recht mochte sie nicht über ihr Zeichen reden.
    Die Hochzeitsfeierlichkeiten in Braunschweig zogen sich über drei Tage, aber dann trat, wie Melisande vorhergesagt hatte, wieder Ruhe in Herzog Heinrichs Residenz ein. Die meisten der Mädchen reisten ab, oft eskortiert von Fahrenden Rittern, die als Turnierteilnehmer gekommen waren und nun gern die Aufgabe der Begleitung einer jungen Braut übernahmen. Auch die Gäste ritten zurück auf ihre Burgen und Lehnsgüter.
    Dankwarderode leerte sich, und im Frauentrakt fand sich Platz für Amra und Mariana. Mariana zog zu Aveline, einer älteren Gräfin, die über Mathildes junge Kammerfrauen und Gespielinnen wachte. Die beiden hatten sich angefreundet. Aveline schien glücklich, eine andere Dame in diesem Haushalt zu finden, die nicht ständig errötete und kicherte. Amra erhielt einen Schlafplatz in Melisandes Kammer, die sich insgesamt vier junge Frauen teilten. Sie wechselten sich darin ab, Mathilde beim Ankleiden zu helfen und ihr aufzuwarten.
    »Das sollst du wirklich auch machen?«, fragte Melisande zweifelnd.
    Amra hatte ihr erzählt, dass sie Königin Libussa gedient und König Waldemar sie deshalb an Heinrichs Hof gesandt habe. Doch letztendlich bestimmte Mathilde selbst über ihre Kammerfrauen, und bislang hatte sie nicht nach Amra verlangt. Melisande nahm an, dass sie die neue ranische Hofdame einfach vergessen hatte. In den Tagen zuvor war schließlich so viel auf die junge Herzogin eingestürmt, dass sie sich kaum jedes Gesicht des Braunschweiger Haushalts merken konnte.
    Amra glaubte das hingegen nicht. Sie spürte Mathildes Blicke in der Kirche immer noch im Rücken. Bestimmt vergaß die kleine Prinzessin nicht, wer ihr da die Schau gestohlen hatte.
    »Ja, aber wie soll ich mich beschäftigen, bis sie mich bemerkt?«, erkundigte sich Amra. »Was macht man so den ganzen Tag als … als Hofdame einer Herzogin?«
    Melisande zog die Stirn kraus. »Weißt du das nicht? Du warst doch bei Hofe.«
    Amra biss sich auf die Lippen. Sie konnte kaum zugeben, dass sie auf Arkona in der Küche gearbeitet hatte, wenn die Königin und die Konkubinen König Tetzlavs sie nicht brauchten.
    »Am ranischen Hof war das anders«, meinte sie vage.
    Melisande zuckte die Schultern. »Also, ich dachte, das wäre überall gleich«, sagte sie dann. »Jedenfalls an Minnehöfen. Eigentlich tun wir Mädchen nichts anderes, als uns zu vergnügen. Wir treffen uns im Garten mit den jungen Rittern, wir tanzen, wir üben uns im Lautenspiel und im Gesang. Im Sommer reiten wir aus und gehen auf die Falkenjagd, im Winter lesen wir einander vor und machen Handarbeiten. Natürlich empfangen wir auch Dichter und Minnesänger.

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