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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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Brautpaar. Ein schönes Paar, aber ein reichlich seltsames. Heinrich und Mathilde wirkten eher wie Vater und Tochter, in den hohen Kirchenstühlen reichten Mathildes Beine kaum auf den Boden.
    Die Messfeier vor der Trauung zog sich hin, aber das war Amra auch von den Zeremonien für Svantevit gewöhnt. Sie vertrieb sich die Zeit damit, die anderen Gäste zu beobachten, wobei ihr Blick immer wieder zu Magnus wanderte, der bei den Rittern des Herzogs saß. Obwohl sie entschlossen war, ihn nicht mehr zu lieben, empfand sie ihn doch immer noch als den schönsten aller Ritter. Sie bewunderte seine aufrechte Haltung, den schlanken und doch kräftigen Körper unter Kettenhemd und Tunika. Die Ritter hatten ihre Rüstungen ab-, aber die Wappenröcke in ihren Farben angelegt. Magnus trug Rot und Blau, ein Feld seines Wappens zierte eine stilisierte Kette. Amra wusste, dass diese Farben Tapferkeit und Treue bedeuteten, ein Vorfahr des Ritters musste obendrein einmal Ketten gesprengt haben, sei es beim Befreien eines Gefangenen oder beim Eindringen in Feindesland. Und nun schmiedete die Treue zu seinem Herrn die Fesseln seiner Liebsten … Amra wollte wütend sein, aber sie konnte die Tränen kaum zurückhalten.
    Während der Trauung schluchzten dann die Brautjungfern und einige der anwesenden Edelfrauen vor Rührung. Mathilde Plantagenet vergoss allerdings keine Träne, während sie ihrem viel älteren Gemahl mit süßer Stimme Eide schwor. Sie kniete neben ihm nieder, um den Segen des Bischofs zu empfangen, und hielt still, während er sie küsste. Züchtig auf die Stirn – Amra dachte wieder eher an Vater und Tochter denn an Ehemann und Ehefrau.
    Schließlich verließ das Paar gemeinsam die Kirche, während ein Chor sang, Heinrich führte seine Gemahlin am Arm. Hinter ihnen gruppierten sich wieder Ehrenjungfrauen und Ritter – Amra und Mariana verließen den Dom als Letzte.
    »Und nun?«, fragte Amra unschlüssig. »Was wird jetzt?«
    »Der Herzog und die Herzogin zeigen sich dem Volk und verteilen Geschenke«, informierte sie unvermittelt eine der Ehrenjungfrauen.
    Das junge Mädchen war etwa in Amras Alter und zweifellos in den hinteren Reihen der Brautjungfern versteckt worden, weil es nicht sehr schön war. Es hatte dünnes braunes Haar und vorstehende Zähne, aber seine hellblauen Augen blickten freundlich, nicht hochmütig wie die der anderen.
    »Wir sollen helfen, Münzen an die Menschen zu verteilen, Schatzkisten stehen bereit. Wenn Ihr mögt, kommt mit mir.« Das junge Mädchen sprach französisch ohne jeden Akzent. Seine Freundlichkeit machte Amra Mut, ihr zurzeit dringlichstes Problem anzusprechen.
    »Gibt es … gibt es irgendwann auch mal was zu essen?«, erkundigte sie sich. »Ich will nicht unhöflich sein, aber wir sind gestern erst mitten in der Nacht angekommen, und …«
    Die Braunhaarige lachte ein perlendes Lachen. »Wenn die Geschenke verteilt sind, öffnen die Garküchen«, meinte sie. »Und ich denke, für uns gibt es noch etwas im Bischofspalast, bevor wir abreiten. Der Herr Bischof wird das Brautpaar doch zu einem Imbiss laden. Danach geht es aber gleich weiter nach Braunschweig. Und dort wird sicherlich stundenlang gespeist. Verhungern werdet Ihr nicht im Dienste der Herzogin, das kann ich Euch versichern. Ich bin übrigens Melisande von Kent, Königin Eleonore hat mich dazu bestimmt, der Prinzessin … äh … der Herzogin … aufzuwarten.«
    Das gleiche Amt, für das König Waldemar Amra bestimmt hatte, aber offensichtlich mit gänzlich anderen Absichten. Melisande würde den Blick des Herzogs keinen Herzschlag lang fesseln, auch wenn sie Mathilde beim Ankleiden half oder sonst etwas tat, was sie in sein Blickfeld rückte. Allerdings war sie schlank und beweglich. Sie führte Amra und Mariana rasch um die Hochzeitsgesellschaft herum auf die Diener zu, die mit den Schatztruhen warteten. Die anderen Brautjungfern repräsentierten lieber noch im Schatten des Herzogspaares.
    »Es wundert mich, dass die Königin ihre Tochter ganz allein an ihren neuen Hof schickt«, meinte Mariana, kurz bevor sie ihr Ziel erreichten. »Die Herzogin ist doch noch … sehr jung …«
    Melisande nickte. »Königin Eleonore hat sie bis in die Bretagne begleitet. Aber dann erwarteten sie andere Pflichten. Sie ist sehr … umtriebig«, meinte das junge Mädchen, »und mehr an ihren Söhnen interessiert als an ihren Töchtern. Aber sie hat die Prinzessin exzellent vorbereitet. Herzogin Mathilde ist noch jung, aber Ihr

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