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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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»Und hier ist Euch nun ein Vogel zugeflogen?«
    Die Mädchen rund um die Herzogin kicherten. Mathilde setzte ihren Zelter beiläufig in Gang, während sie sprach. Amra geriet etwas hinter die Bewegung, als Sternvürbe antrat. Sie musste sich erst wieder an den Schritt des Pferdes gewöhnen.
    »Nein, ich erhielt den Vogel zum Geschenk«, gab sie zu. »Euer Gatte erfuhr, dass ich den meinen verloren hatte, da sandte er mir Snêgelle. Euer Gatte ist sehr gütig.«
    »Das ist er«, sagte Mathilde und gab ihrem Pferd mehr Zügel.
    Der Schimmel schob sich mit hohen, weiten Bewegungen an die Spitze der Gruppe. Amra verhielt Sternvürbe aufatmend im Mittelfeld. Sie hoffte, dass die junge Herzogin sie während des restlichen Rittes in Ruhe ließ. In der ersten Stunde schien sich diese Hoffnung zu erfüllen. Die Jagdgesellschaft überquerte die Zugbrücke über die Oker und lenkte die Pferde durch die Gassen von Braunschweig, den Reitern und Reiterinnen folgten bewundernde Blicke der Bürger. Mathilde warf den Kindern am Straßenrand Münzen zu. So gestaltete sich der Ritt durch die Stadt gleich zum Triumphzug. Die Leute jubelten der schönen jungen Herzogin und ihren Frauen und Rittern zu.
    Dann lag der Ort jedoch schnell hinter ihnen, sie ritten durch die Felder und Gemüsegärten vor der Stadt und schließlich in den so nah an der Siedlung noch verhältnismäßig lichten Wald. Im Gegensatz zu vielen anderen Mädchen, die über das Wetter schimpften, genoss Amra den Morgennebel, der Feuchtigkeit auf ihr Haar und ihre Wimpern legte. Es war belebend, durch den wolkigen Tag zu reiten – sonst kam sie eigentlich nur bei schönem Wetter an die Luft, seit sie am Hof zu Braunschweig lebte. Ob bei diesem bedeckten Himmel allerdings viel Wild unterwegs war? Amra rief sich noch einmal in Erinnerung, was sie von Mariana und Melisande gelernt hatte. Falken jagten Niederwild – Hasen, gern Rebhühner. Darauf zielte auch meist die Beizjagd. Die jetzt noch vergnügt neben den Pferden hertrottenden Vorstehhunde würden die Vögel auftreiben, und der Falke sie schlagen.
    »Sollen wir uns mal selbstständig machen?«, fragte in diesem Moment Melisande und lenkte ihre kleine Rappstute neben Sternvürbe. »Mit dem großen Trupp finden wir kein Wild. Die Tiere hören uns doch, bevor wir auf eine halbe Meile dran sind.«
    Auf den Gedanken, sich etwas zu verstreuen, waren auch schon andere Jagdteilnehmer gekommen. Unter dem Vorwand, einem aufgeregten Hund zu folgen oder eine Lichtung aufsuchen zu wollen, auf der sie bei der letzten Jagd erfolgreich gewesen waren, trennten sich kleine Gruppen oder auch Paare von der Hauptgesellschaft. Besonders Letztere meist so schnell, dass Frau Aveline und Mariana gar nicht rasch genug reagieren konnten. Nun blieben nur wenige Ritter und Damen allein miteinander. Meist folgte ihnen gleich ein Falkner, den sie schon brauchten, um die Vögel zu kontrollieren. Aber die Jagd bot Dame und Minneherrn doch die Chance kleiner Heimlichkeiten. Die Mädchen würden darüber später in ihren Kemenaten stundenlang klatschen. Amra dachte wieder einmal mit Bedauern an Magnus. Er gehörte nicht zu der heutigen Jagdgesellschaft, und überhaupt hatte sie ihn seit den Tagen nach der Hochzeit nicht mehr gesehen. Ob Heinrich ihn mit irgendeiner Aufgabe vom Hof geschickt hatte?
    Melisande dagegen schien keinerlei Gedanken an Ritter zu verschwenden. Sie schaute unternehmungslustig unter dem hübschen Kopfschmuck mit dem hellblauen Schleier hervor, den sie zu ihrem nachtblauen Reitkleid trug, und der willkommenen Schutz vor dem leichten Sprühregen bot, der kurz zuvor eingesetzt hatte.
    »Komm, der Falkner hat mir von einem Stück Heideland erzählt, da gäb’s immer Rebhühner, meinte er, da brüteten sie.«
    Er schien ihr den Weg zur Lichtung genau beschrieben zu haben – oder hatte er sie gar heimlich hingeführt? Melisande lenkte ihr Pferd jedenfalls zielsicher durch den Wald an einem Bach entlang, und dann wich der starke Baumbestand tatsächlich einer mit niedrigen Büschen und Heidekraut bewachsenen Ebene.
    Melisande sprach ein paar Worte zu den beiden Settern, die mit ihnen gelaufen waren, und die Hunde stürmten los. Kurz darauf gab einer von ihnen Laut, und aus einem Busch heraus flog tatsächlich ein Rebhuhn auf.
    Melisande nahm ihrer Gaia triumphierend die Haube ab und Amra nestelte mit Herzklopfen an Snêgelles. Das Falkenweibchen sah sich interessiert um, als es Amra endlich gelang, den Sichtschutz zu entfernen, und

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