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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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zuckte die Achseln. »Er sagte etwas von Wiedergutmachung dafür, dass ich meinen Falken in Rujana lassen musste. Ich denke, er wollte einfach nur freundlich sein.«
    Die alte Edelfrau musterte die Jüngere mit spitzbübischem Lächeln. »Männer sind selten grundlos freundlich«, bemerkte sie. »Zumal dies teure Freundlichkeit ist – ein Falke wie deine Snêgelle kostet mehr als die gesamte Ausstattung eines Ritters mit Pferd. Nein, Amra, wie es aussieht, ist dir da ein großer Wurf gelungen! Du hast den Herzog davon überzeugt, dass du mehr bist als die Lustsklavin, die König Waldemar ihm geschickt hat. Er sieht eine ranische Prinzessin in dir, Amra, und er hat sich in dich verliebt. Er wirbt um dich, Mädchen! Wenn du es jetzt geschickt anstellst, wirst du es weit bringen an diesem Hof!«
    Amra gelüstete es eigentlich nicht nach Macht, weder am Hof zu Braunschweig noch über den Herzog. Vorerst hatte sie genug damit zu tun, ihr Lügengebäude aufrechtzuerhalten, indem sie das Geschenk des Herzogs entsprechend würdigte und Melisande und die Falkner nicht merken ließ, dass der Umgang mit Greifvögeln völliges Neuland für sie war. So fand sie sich am nächsten Tag herzklopfend zur Futterzeit der Tiere in der Falknerei ein, nahm schaudernd Innereien und tote Mäuse in die Hand und hielt sie Snêgelle hin, nachdem sie den Vogel von der Haube befreit hatte. Sie bemühte sich, nicht zurückzuzucken, wenn der scharfe Schnabel danach pickte, das Falkenweibchen verhielt sich zum Glück jedoch manierlich, sodass Amra ihre Furcht bald vergaß.
    Melisande bemerkte ihr Zögern trotzdem und machte eine Bemerkung dazu, aber Amra hatte sich schon eine Antwort zurechtgelegt.
    »Das stimmt, ich habe wenig Erfahrung. Am Hof König Tetzlavs war es nicht erwünscht, dass wir Frauen die Vögel fütterten und selbst ausbildeten. Wir nahmen sie nur zur Jagd aus der Hand der Falkner. Ich fand das schade, doch so war es nun mal.«
    Melisande seufzte. »Ja, so sehr gern sah Königin Eleonore das auch nicht«, stimmte sie zu. »Sie hat es uns erlaubt, wenn unser Herz daran hing, wir sollten ja gut reiten und uns auf der Falkenjagd mit den Rittern vergnügen, statt womöglich lästig zu sein. Mich hat sie schon öfter gerügt, weil ich lieber reite und Falken ausbilde, als Laute zu spielen.«
    Melisande war völlig unmusikalisch. Auch Tanz lag ihr nicht sehr, und ihre Singstimme war nicht besonders ausdrucksstark. Jetzt, da sie häufiger mit Amra zusammen war, gestand sie ihr bald, dass sie als Mädchen heimlich die Streitrosse ihrer Brüder geritten und an den Übungsgeräten der Ritter mehr Treffer mit der Lanze erzielt hatte als so mancher Knappe.
    »Ich kann dir jedenfalls alles zeigen!«, meinte sie munter.
    Amra schwante langsam, dass Melisande sich am Hof der Herzogin kaum weniger langweilte als sie selbst. Die Arbeit als Mathildes Kammerfrau beschäftigte die junge Frau schließlich nicht ganztags, und die sonstigen Vergnügungen interessierten sie nicht. So machte es sie offensichtlich glücklich, dass Amra sie in die Falknerei und in die Pferdeställe begleitete.
    Aber schon am zweiten Tag nach Snêgelles Ankunft herrschte dort große Aufregung. Amra war allein vorausgegangen, da Melisande noch von der Herzogin gerufen worden war, und begegnete gleich dem Ersten Falkner.
    »Hat man Euch nicht gesagt, dass heute eine Falkenjagd anberaumt ist?«, wunderte der sich, als er Amras schlichtes Hauskleid sah, über das sie zum Füttern des Vogels obendrein eine Schürze gezogen hatte. »Die Herzogin will ausreiten – seltsam, da wir doch nicht gerade einen besonders schönen Tag haben.«
    Tatsächlich war es bedeckt. Es regnete zwar nicht, aber dass noch die Sonne über der Braunschweiger Tiefebene aufgehen würde, war eher unwahrscheinlich.
    »Soll ich denn da mit?«, fragte Amra sichtlich unbehaglich.
    Der Falkner nickte. »Das werdet Ihr Euch doch nicht entgehen lassen!«, meinte er. »Mit dem wunderschönen Vogel. Ihr müsst ganz erpicht darauf sein, ihn richtig zu erproben!«
    Amra hatte Snêgelle schon einmal gemeinsam mit Melisande fliegen lassen und fasziniert zugesehen, wie sich der große Vogel in die Lüfte schwang und über der Burg seine Runden drehte. Sie hatte dann mit dem Federspiel gewirbelt, und zu ihrer völligen Verblüffung war das Tier zurückgekommen.
    »Also, ich wäre weggeflogen«, hatte sie dem Falkenweibchen zugewispert, aber Snêgelle fraß nur zufrieden einen Belohnungsleckerbissen aus der Hand ihrer

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