Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
Vom Netzwerk:
Dienst bei der Herzogin eingeteilt«, eröffnete ihr Melisande, als sie zwei Tage später zurück in die gemeinsame Kemenate kam, nachdem sie Mathilde beim Auskleiden geholfen hatte.
    Die junge Herzogin schlief nach wie vor allein in ihren Räumen. Zwar hatte man sie im Rahmen der Hochzeitsfeierlichkeiten einmal gemeinsam mit Heinrich zu Bett gebracht, aber laut Melisande war dabei nichts geschehen. Amra fand, dass es für Heinrich den Löwen sprach, dass er seine noch sehr junge Frau vorerst schonte.
    »Ich weiß auch nicht, wie sie plötzlich darauf kommt, aber sie verlangt, dass du ihr gemeinsam mit Joana aufwartest.«
    »Was muss ich denn da tun?«, fragte Amra nervös.
    Es war ihr gerade noch gelungen, das neue Schmuckstück in einer der Truhen verschwinden zu lassen, bevor Melisande es sah.
    Melisande hob die Schultern. »Wahrscheinlich das Gleiche, was du für deine frühere Königin gemacht hast. Aufwecken, ein feuchtes Tuch bereithalten, mit dem sie Gesicht und Hände erfrischen kann. Die Herzogin nimmt gern noch im Bett ein kleines Frühstück, etwas verdünnten Wein und Milchbrei mit viel Honig. Man berät sie über die Kleidung, die sie an dem Tag anziehen sollte – aber das macht Joana, mach dir keine Sorgen, du weißt ja nicht Bescheid über ihre Sachen. Dann hilfst du ihr beim Ankleiden, plauderst ein wenig mit ihr – na ja, und dann übernehmen gewöhnlich schon ihre Gespielinnen, die haben sich meistens gleich morgens schon irgendetwas zu erzählen. Wenn sie beschäftigt ist, hast du frei. Mach dir keine Sorgen.«
    Amra machte sich allerdings nicht nur Sorgen, sie verbrachte auch eine schlaflose Nacht. Es musste etwas zu bedeuten haben, dass Mathilde sich plötzlich von ihr bedienen lassen wollte.
    Amra zitterte vor Aufregung, als sie sich gemeinsam mit Joana bei Sonnenaufgang erhob, rasch anzog und dann in die Räume der Herzogin begab. Joana war so früh am Morgen noch müde und missgelaunt. Sie schlief gern lange, aber Mathilde war nicht zum Nichtstun erzogen. Melisande hatte Amra erzählt, dass der Tag der kleinen Prinzessin schon in England mit Lernen und Vergnügungen prall gefüllt gewesen war. Königin Eleonore gewährte den ihr anvertrauten Mädchen und erst recht ihren Töchtern eine umfassende Erziehung. Mathilde sprach und las mehrere Sprachen, unter anderem Latein. Das Mädchen spielte die Laute, dichtete und sang – wenngleich mit weit weniger Talent, als man seinem berühmten Bruder Richard nachsagte. Mathilde ritt hervorragend, beherrschte die Grundlagen der Falknerei und spielte für ihr Alter hervorragend Schach. Hier, in ihrer neuen Heimat, vervollkommnete sie ihre Kenntnisse der deutschen Sprache, sie konnte sich mit ihren Untertanen schon recht gut verständigen. Ein Hofgeistlicher und Dichter las mit ihr Verse und lehrte sie Konversation.
    »Aber immer hat sie zu der ganzen Lernerei auch keine Lust«, verriet Joana, während sie Amra die Kleidertruhen der jungen Herzogin zeigte und ihr genau erklärte, wie das Frühstück für die Herrin zu bereiten sei. »Und dann lässt sie ihr Missfallen an uns aus. Jedenfalls, seit sie hier ist. In England wagte sie das nicht. Frau Eleonore bestand immer auf absoluter Selbstbeherrschung. Bei all ihren Mädchen.«
    Joana schleckte am Honiglöffel, vorgeblich, um zu kosten, ob der süße Brei ihrer kleinen Herrin genehm sein würde. Joana konnte gutem Essen einfach nicht widerstehen. Sicher hatte die Königin ihre Selbstbeherrschung oft gerügt.
    Die majestätische kleine Mathilde konnte Amra sich dagegen kaum als missgelauntes, verwöhntes Ding vorstellen – und als sie jetzt in das Schlafgemach der jungen Herzogin trat, begann sie auch gleich wieder Sympathie für das Mädchen zu empfinden. Mathilde sah so jung und so engelsgleich unschuldig aus, wie sie da beinahe in den Decken und Fellen ihres riesigen Himmelbettes versank. Ihr langes schwarzes Haar – Amra hatte es nie anders gesehen als züchtig geflochten zu ihrer Hochzeit oder kunstvoll aufgesteckt als Zeichen ihrer neuen Würde als verheiratete Frau – fiel weich über ihre Kissen, ihr kleiner Mund war leicht geöffnet, das herzförmige Gesicht vom Schlaf gerötet. Ein paar Herzschläge lang konnte Amra nicht mehr in ihr sehen als ein entzückendes Kind – doch das änderte sich schnell, als Joana sie jetzt sanft weckte.
    »Herzogin, die Sonne linst über den Horizont, begierig, Euer Lächeln zu sehen«, meinte die junge Frau. »Die Vögel rufen nach Euch, denn ihr Gesang ist

Weitere Kostenlose Bücher