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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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neuen Herrin und ließ sich dann wieder ihre Haube aufsetzen und in die Falknerei bringen. Amra war recht stolz auf sich gewesen, aber sie hätte das Auflassen und Wiederanlocken des Vogels doch gern noch länger geübt, statt gleich zur Jagd zu reiten.
    »Es wird schon gut gehen!«, ermutigte sie der Falkner, dem natürlich auch nicht entgangen war, dass Amra wenig Erfahrung hatte. »Euer Vogel macht doch alles von allein. Ihr werdet glänzen mit ihm! Aber vorher solltet Ihr Euch umziehen. Die Pferde werden schon gesattelt, und den Vogel halte ich solange für Euch bereit, keine Sorge!«
    Amra eilte verunsichert zurück zur Burg und traf in ihrer Kemenate auf Melisande, die sich genauso übereilt für den Ausritt herrichtete wie sie.
    »Die Herzogin hat sich ganz plötzlich entschieden«, meinte sie. »Ich dachte, sie wollte heute hierbleiben und die Oberin von diesem Kloster empfangen, das sie demnächst unterstützen will … Aber dann verlangte sie plötzlich nach ihrem Reitkleid. Hoffentlich geht es gut mit ihrem Falken. Muscat hat sich noch nicht richtig eingelebt …«
    Besorgt begann Melisande ihr dünnes braunes Haar zu flechten. Muscat, Mathildes Lannerfalkenmännchen, war mit Melisandes Vogel Gaia und den Falken der anderen Mädchen aus England gekommen. Melisande kümmerte sich etwas um das offensichtlich sensible Tier, was den Falknern nur recht war. Die Jagd verlief besser, wenn die Vögel ihre Besitzer kannten, aber Mathilde besuchte den ihren nur selten. Dank Melisande blieb Muscat aber immerhin mit Frauenstimmen und -händen vertraut.
    Amra und Melisande erreichten die Jagdgesellschaft nun als Letzte, einige der jüngeren Mädchen saßen schon auf ihren Zeltern, anderen halfen junge Ritter gerade hinauf, und Falkner reichten ihnen ihre Vögel. Die Gesellschaft war eher klein … Amra schaute nervös nach dem Herzog aus, aber der hatte sich so spontan bestimmt nicht freimachen können. Auch Mariana und Frau Aveline hatten ihre Pferde bereits erstiegen, Mariana mit sichtlicher Vorfreude auf den Ritt, Aveline mit eher säuerlicher Miene. Beide mussten als Anstandsdamen dabei sein, und Aveline schätzte keine Jagden, erst recht nicht bei so unbeständigem Wetter.
    Mathildes Schimmel stach aus der Menge der Pferde heraus, er tänzelte schon wieder aufgeregt, doch sie verhielt ihn geschickt. Der Falke, der bereits auf ihrem Sattelknauf saß, war hingegen nicht sehr auffällig. Muscat war grau und deutlich kleiner als Melisandes Gaia – von Snêgelle ganz zu schweigen.
    »Natürlich, es ist ja ein Terzel«, hatte Melisande erklärt, als Amra sie gleich am ersten Tag danach fragte. »Und ein Lannerfalke. Gaia und Snêgelle sind Gerfalken. Damit kommt die Prinzessin jedoch noch nicht zurecht, sie sind zu schwer. Muscat ist immerhin sehr hübsch.«
    Amra bezweifelte das nicht. Der Vogel gefiel ihr durchaus, mit seinen leuchtend gelben Füßen und dem rotbraun gefiederten Kopf. Aber sie ahnte wohl, dass Vögel wie Snêgelle begehrter waren – und teurer.
    Mathilde warf ihr denn auch einen ihrer typischen zwischen Prüfung und Unwillen schwankenden Blicke zu, als der Erste Falkner nun Snêgelle herausbrachte. Das fast reinweiße Falkenweibchen nahm wie selbstverständlich auf Sternvürbes Sattelknauf Platz.
    »Ihr besitzt einen schönen Falken, Frau Anna Maria«, bemerkte die Herzogin.
    Amra verstand erst, dass sie gemeint war, als Melisande sie anstieß.
    »Habt Ihr ihn aus Eurer Heimat mitgebracht? Wie hieß Eure Insel noch? Rujana?«
    Amra nickte, verhaspelte sich dann aber gleich. »Ja … nein … also, die Insel heißt Rujana, aber ich … bitte nennt mich doch Amra, Herzogin, ich bin an meinen neuen Namen noch nicht so gewöhnt.«
    »Ihr lehnt Euren christlichen Namen ab?«, fragte Mathilde schneidend.
    Amra schüttelte rasch den Kopf. »Nein, nein, natürlich nicht, nur … Amra ist kürzer, wisst Ihr, und …«
    »Den Falken nennt Ihr Snêgelle«, stellte die Herzogin fest.
    Amra durchfuhr es eisig. Ihr schwante plötzlich, was der Anlass für diese so plötzlich anberaumte Jagd gewesen war. Mathilde hatte von dem Falken gehört. Und sicher auch davon, wer ihn Amra geschenkt hatte.
    »Das ist kein slawisches Wort.«
    »Nein.« Es hatte sicher keinen Sinn zu lügen. »Meinen eigenen Falken musste ich leider auf Rujana zurücklassen. Ich kam als Geisel, wie Ihr sicher wisst.«
    »Allerdings«, sagte Mathilde kurz angebunden. Amra hoffte, dass sie nicht auch über die näheren Umstände informiert war.

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