Die Geisel
Polizisten Gläser mit Limonade.
Nachdem die Nachrichten von dem Überfall berichtet hatten, waren die Beamten in der Villenstraße mit offenen Armen empfangen worden. Selbst Lars-Erik, der sonst nicht viel für die Polizei übrighatte, winkte jedes Mal, wenn er vorbeifuhr. Die Polizei hatte sich für eine sichtbare Präsenz entschieden, denn angesichts der Berichterstattung in den Medien wussten sowieso alle, dass sie auf Maja aufpassten. Hingegen war es ein wohlgehütetes Geheimnis, dass sich außerdem zwei Mitglieder eines Sonderkommandos im Garten versteckt hielten. Wo genau sie sich aufhielten, wusste Maja selbst nicht.
»Hörst du mir zu, Maja?«, drang es aus dem Hörer.
»Ja, ja, ich bin doch zu Hause«, entgegnete Maja.
»Nein, was ich meine, ist, dass ihr versuchen könntet, für ein paar Tage hierher zu ziehen.«
»Danke, nicht nötig. Außerdem bin ich nicht stur.«
»Und wie willst du das sonst nennen? Da biete ich euch an, im Gästezimmer zu wohnen, bis sie den Kerl geschnappt haben, und du lehnst einfach ab.«
»Ja, weil wir hier völlig sicher sind.« Ihre Mutter ging ihr entsetzlich auf die Nerven. Ein stechender Kopfschmerz hatte eingesetzt. »Und brauchst du das Zimmer nicht als Atelier?«
Es entstand eine kurze Pause. »Ach, nein, ich hab die Malerei an den Nagel gehängt.«
Klar, dachte Maja, genauso wie den Square-Dance, Spanisch für Anfänger, die französische Küche und all die anderen Kurse an der Volkshochschule, die ihre Mutter im Lauf der Jahre besucht hatte. »Du brauchst dir wirklich keine Sorgen zu machen, Mama. Wir haben hier patrouillierende Polizisten und unsere eigene Bürgerwehr, alle in höchster Alarmbereitschaft. Außerdem installiert Stig gerade eine Alarmanlage an unserem Haus.« Maja drehte sich zu Stig um, der am kleinen Esstisch saß.
Vor ihm lag ein Wirrwarr elektrischer Leitungen, vier Kameras, zehn Sensoren, zwei Monitore und ein riesiges Bedienteil. Stig kratzte sich am Kopf, während er die dicke Gebrauchsanweisung studierte.
»Wir haben hier alles unter Kontrolle«, sagte Maja.
»Ich kann einfach nicht verstehen, wie du noch weiter in dem Haus wohnen kannst.«
»Weil es eben mein Zuhause ist«, gab Maja bissig zurück. »Ich muss jetzt auflegen, Mama. Da ist jemand am anderen Apparat«, log sie. »Wir sprechen uns.« Sie legte auf und schaute zu Stig hinüber. »Und, kommst du damit klar?«
Stig warf die Gebrauchsanweisung auf den Tisch und lehnte sich seufzend zurück. »Um das hier zusammenzubauen, muss man ein ausgebildeter Elektriker sein.«
»Vielleicht könnte Jakob dir helfen.«
»Der ist Klempner.«
»Na, und. Dann wird er ja wohl praktisch veranlagt sein.«
»Keine Ahnung«, entgegnete Stig und streckte sich. »Deine Mutter hat also schon wieder angeboten, dass wir zu ihr ziehen können?«
»Du sagst es.«
»Ich finde, Sie hat Recht.«
»Was?« Sie legte ihr Handy auf den Tisch. »Du willst doch wohl nicht im Ernst bei ihr einziehen.«
Er schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht. Ich habe nur gerade gedacht, dass es gut wäre, ein paar Tage wegzufahren.«
»Was meinst du mit wegfahren?«
»Wir könnten nach Norwegen fahren, bis sie ihn geschnappt haben. Wir könnten uns in der Hütte meines Bruders oder des Schmieds einquartieren.«
Maja breitete die Arme aus. »Ich kann doch nicht einfach von hier verschwinden. Was ist mit meiner Arbeit?«
Er streckte die Hand nach ihr aus, doch sie stand zu weit weg, als dass er sie hätte erreichen können. Und sie machte keinerlei Anstalten, auf ihn zuzugehen. »Ich bin mir sicher, dass sie Verständnis für deine Situation haben, nach allem, was du durchgemacht hast. Außerdem ist es wohl an der Zeit, dass du in Mutterschaftsurlaub gehst.«
»Ach, das kann doch noch warten.«
Er holte tief Luft. »Aber kannst du denn nicht begreifen, dass uns ein wenig Luftveränderung guttun würde?«
»Ich will das nicht!«, entgegnete sie und verschränkte die Arme.
»Aber ich!« Er schaute sie besorgt an. »Kannst du dir vorstellen, was das für ein Schock war, dich auf dieser Bahre zu sehen?«
Sie ließ den Tisch los und ging zu ihm.
»Ich weiß, dass ich es mir nie verzeihen könnte, wenn dir etwas passieren würde. Oder ihm.« Er betrachtete ihren Bauch. »Können wir denn nicht einfach für eine Weile von hier verschwinden?«
Sie strich ihm über die Haare. »Hast du mir nicht beigebracht, dass man in der Not zusammenhalten muss?«
»Aber das tun wir doch!«
»Ich denke an unseren
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