Die Geisha - Memoirs of a Geisha
mich auch nicht sehen. Also ließ ich verzweifelt den Kopf hängen, denn mir schien, als würde ich Hatsumomo niemals entkommen.
»Was hast du dieser gräßlichen Frau heute gesagt?« fragte mich Mameha.
»Gar nichts, Herrin!«
»Aber wie hat sie uns dann hier gefunden?«
»Ich wußte ja selbst nicht mal, daß wir hier sein würden«, gab ich zurück. »Ich hätte ihr unmöglich etwas verraten können.«
»Meine Dienerin weiß von meinen Engagements, aber ich kann mir nicht vorstellen… Nun gut, wir werden zu einer Party gehen, von der kaum jemand etwas weiß. Naga Teruomi ist letzte Woche zum Dirigenten der Tokyoter Philharmonie ernannt worden. Er ist heute nachmittag nur hergekommen, um allen Gelegenheit zu geben, ihn anzuhimmeln. Ich habe keine große Lust hinzugehen, aber… wenigstens wird Hatsumomo nicht dort sein.«
Wir überquerten die Shijo-Avenue und bogen in eine schmale Gasse ein, wo es nach Sake und gebratenen Süßkartoffeln roch. Trillerndes Lachen kam aus den hell erleuchteten Fenstern im ersten Stock über uns. Im Teehaus führte uns eine junge Dienerin in ein Zimmer im ersten Stock, wo wir den Dirigenten mit seinen dünnen, mit Öl zurückgebürsteten Haarsträhnen fanden. In der Hand hielt er eine Saketasse, die er zornig mit den Fingern streichelte. Die anderen Männer im Zimmer waren mit zwei Geishas in ein Trinkspiel vertieft, an dem sich der Dirigent nicht beteiligen wollte. Eine Zeitlang unterhielt er sich mit Mameha, dann bat er sie unvermittelt, für ihn zu tanzen. In Wirklichkeit interessierte er sich, glaube ich, gar nicht für den Tanz, es war für ihn nur eine Gelegenheit, dem Trinkspiel ein Ende zu machen und seine Gäste aufzufordern, sich wieder um ihn zu kümmern. Gerade als das Dienstmädchen ein Shamisen hereinbrachte, um es einer der Geishas zu überreichen – sogar noch bevor Mameha ihre Ausgangsposition eingenommen hatte –, wurde die Tür aufgeschoben und… Ich glaube, Sie wissen, was ich jetzt sagen werde. Sie waren wie Köter, die unserer Fährte folgten. Es waren wieder einmal Hatsumomo und Kürbisköpfchen.
Sie hätten sehen sollen, wie Mameha und Hatsumomo einander anlächelten. Man hätte fast meinen können, sie grinsten über einen privaten Scherz – während Hatsumomo in Wahrheit einfach ihren Sieg genoß, und was Mameha angeht… nun ja, ihr Lächeln war wohl eher eine Art, ihre Wut zu kaschieren. Während des Tanzes konnte ich sehen, wie sie das Kinn vorschob und die Nüstern weitete. Nach dem Tanz kam sie nicht einmal an den Tisch zurück, sondern sagte zu unserem Gastgeber:
»Ich danke Ihnen sehr, daß wir hereinschauen durften! Leider müssen Sayuri und ich uns jetzt entschuldigen…«
Ich kann Ihnen nicht schildern, wie zufrieden Hatsumomos Miene war, als wir die Tür hinter uns schlossen.
Ich folgte Mameha die Treppe hinab. Auf der untersten Stufe blieb sie stehen und wartete. Schließlich kam eine junge Dienerin in die Eingangshalle heraus, um uns hinauszubegleiten – dasselbe Mädchen, das uns zuvor in den ersten Stock geführt hatte.
»Ein sehr schweres Leben, das du als Dienerin führen mußt!« sagte Mameha zu ihr. »Du hast bestimmt viele Wünsche, und dabei so wenig Geld! Was wirst du mit dem Geld denn anfangen, das du dir gerade eben verdient hast?«
»Gar nichts habe ich verdient, Herrin«, sagte sie. An der Art, wie sie nervös schluckte, konnte ich jedoch sehen, daß sie log.
»Wieviel Geld hat Hatsumomo dir versprochen?«
Das Mädchen senkte den Blick. In diesem Moment erst begriff ich, was Mameha dachte. Wie wir einige Zeit später erfuhren, hatte Hatsumomo in der Tat mindestens eine Dienerin in jedem erstklassigen Teehaus von Gion bestochen. Wann immer Mameha und ich auf einer Party eintrafen, sollten sie Yoko anrufen – das Mädchen, das in unserer Okiya das Telefon bediente. Natürlich ahnten wir damals noch nicht, daß Yoko darin verwickelt war, aber Mameha nahm zu Recht an, daß das Mädchen aus diesem Teehaus Hatsumomo irgendwie Informationen übermittelt hatte.
Die Dienerin wagte es nicht, Mameha anzusehen. Selbst als Mameha ihr Kinn anhob, blickte das Mädchen zu Boden, als hätte sie Blei in den Augenlidern. Als wir das Teehaus verließen, hörten wir Hatsumomos Stimme aus einem der oberen Fenster – denn die Gasse war so eng, daß alles darin widerhallte.
»Ja, und wie hieß die Kleine?« fragte Hatsumomo.
»Sayuko«, antwortete einer der Männer.
»Nein, Sayuri«, widersprach ein anderer.
»Ja, ich glaube, das
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