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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Golden
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Grenzen unseres kleinen Gion-Viertels, ganz zu schweigen davon, daß ich zum erstenmal in einem Auto fuhr. Ich hatte gar nicht gewußt, in welcher Verzweiflung manche Menschen während dieser Jahre lebten, bis wir im Süden der Stadt am Fluß entlangfuhren und ich sah, wie schmutzige Frauen ihre Babys unter den Bäumen an der Bahnstrecke stillten, während Männer in zerlumpten Strohsandalen inmitten des Unkrauts hockten. Ich will nicht behaupten, daß niemals Arme nach Gion kamen, aber von diesen hungernden Bauern, die sogar zu arm waren, sich ein Bad zu leisten, bekamen wir kaum einen zu sehen. Ich hätte mir niemals vorstellen können, daß ich – eine Sklavin, terrorisiert von Hatsumomos Bosheit – während der Weltwirtschaftskrise ein relativ glückliches Leben geführt hatte. An jenem Tag erkannte ich jedoch, daß es so war.
    Als ich eines Tages von der Schule nach Hause kam, fand ich eine Nachricht von Mameha vor, ich solle mein Make-up einpacken und sofort zu ihr in die Wohnung kommen. Als ich eintraf, stand Herr Itchoda, ein Ankleider wie Herr Bekku, mit Mameha im hinteren Zimmer vor dem großen Spiegel, um ihr den Obi zu binden.
    »Beeil dich und leg dein Make-up auf«, sagte Mameha zu mir. »Im anderen Zimmer habe ich einen Kimono für dich zurechtgelegt.«
    Mamehas Wohnung war für Gions Verhältnisse riesig. Außer ihrem Hauptzimmer, das sechs Tatami-Matten maß, hatte sie noch zwei weitere kleinere Zimmer: einen Ankleideraum, der zugleich Dienstbotenzimmer war, und ein Zimmer, in dem sie schlief. Im Schlafzimmer hatte die Dienerin auf dem frisch gemachten Futon ein komplettes Kimono-Ensemble für mich ausgebreitet. Der Futon gab mir Rätsel auf. Mameha hatte in den Laken bestimmt noch nicht geschlafen, denn sie waren so glatt wie frisch gefallener Schnee. Während ich in den baumwollenen Hausmantel schlüpfte, den ich mitgebracht hatte, machte ich mir Gedanken darüber. Als ich dann ins Ankleidezimmer zurückkehrte, um mich dort zu schminken, erklärte Mameha mir, warum sie mich hergerufen hatte.
    »Der Baron ist wieder da«, sagte sie. »Er will zum Mittagessen herkommen. Ich möchte, daß er dich kennenlernt.«
    Ich hatte bisher noch keine Gelegenheit, den Baron zu erwähnen, aber Mameha sprach von Baron Matsunaga Tsuneyoshi, ihrem danna. Heutzutage haben wir keine Barone und Grafen mehr in Japan, vor dem Zweiten Weltkrieg aber gab es sie noch, und Baron Matsunaga war vermutlich einer der reichsten von ihnen. Seine Familie herrschte über eine der großen Banken Japans und war sehr einflußreich in der Finanzwelt. Ursprünglich hatte sein älterer Bruder den Titel geerbt, aber der war als Finanzminister im Kabinett des Premierministers Inukai ermordet worden. Mamehas danna, damals bereits in den Dreißigern, hatte nicht nur den Barontitel geerbt, sondern sämtlichen Landbesitz seines Bruders, darunter ein großes Landgut in Kyoto, nicht allzuweit von Gion entfernt. Seine Geschäftsinteressen hielten ihn zumeist in Tokyo fest, aber es gab noch etwas anderes, das ihn dort hielt, denn viele Jahre später erfuhr ich, daß er eine weitere Geliebte im Geishaviertel Akasaka in Tokyo hatte. Nur wenige Männer sind reich genug, sich eine Geishageliebte leisten zu können, doch Baron Matsunaga Tsuneyoshi hatte sogar zwei.
    Nun, da ich wußte, daß Mameha den Nachmittag mit ihrem danna verbringen würde, konnte ich mir vorstellen, warum der Futon in ihrem Schlafzimmer mit frischen Laken bezogen worden war.
    Rasch streifte ich die Kleider über, die Mameha für mich herausgelegt hatte: ein hellgrünes Untergewand und einen Kimono in Rostbraun und Gelb mit einem Kiefernmuster am Saum. Inzwischen war eine von Mamehas Dienerinnen mit einem großen Lackkasten, der das Mittagessen des Barons enthielt, aus einem nahen Restaurant zurückgekommen. Die Speisen in dem Kasten waren wie in einem Restaurant auf Tellern und in Schalen zum Servieren bereit. Das größte war ein flacher Lackteller mit zwei gegrillten, gesalzenen ayu, die auf den Bauch gestellt waren, als schwämmen sie gemeinsam den Fluß hinunter. Auf einer Seite lagen zwei winzige, gedämpfte Krebse von der Art, die ganz gegessen wird. Eine Spur aus Salz schlängelte sich über den schwarzen Lack, um den Sand anzudeuten, den sie überquert hatten.
    Wenige Minuten später kam der Baron. Ich spähte durch die Schiebetür und sah ihn draußen auf dem Treppenabsatz stehen, während Mameha seine Schuhe aufband. Mein erster Eindruck war der einer Mandel oder sonst

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