Die Geisha - Memoirs of a Geisha
hübsch! Paßt gar nicht zu dir. Nun gut, nennen wir die Novizin in dieser Geschichte ›Mayuri‹. Also, eines Tages ging ich mit Mayuri auf dem Weg zur Okiya ihrer älteren Schwester die Shijo-Avenue entlang. Es war schrecklich windig, der Sturm rüttelte an den Häusern, und die arme Mayuri hatte so wenig Erfahrung mit Kimonos. Sie war so leicht wie ein Blatt, und die weiten Ärmel können wie Segel wirken. Als wir gerade die Straße überqueren wollten, war sie auf einmal verschwunden, und ich hörte nur einen dünnen Laut hinter mir, so ähnlich wie ›Ahh… ahh‹, aber ganz schwach…«
Hatsumomo wandte sich mir zu.
»Meine Stimme ist nicht hoch genug«, sagte sie. »Laß mich hören, wie du es sagst. ›Ahh… ah…‹«
Was sollte ich tun? Ich versuchte, den Laut nachzuahmen.
»Nein, nein, viel höher… Ach, lassen wir das!« Hatsumomo wandte sich an den Mann neben ihr und sagte verhalten: »Sie ist nicht sehr helle, was?« Sie schüttelte den Kopf und fuhr fort: »Jedenfalls, als ich mich umwandte, wurde die arme Mayuri hinter mir rücklings einen ganzen Block weit die Straße entlanggeweht – mit so heftig rudernden Armen und Beinen, daß sie an einen Käfer erinnerte, der hilflos auf dem Rücken liegt. Mir platzte vor Lachen fast der Obi, aber dann stolperte sie plötzlich vom Gehsteig auf eine belebte Kreuzung, und zwar genau in dem Moment, wo ein Auto herangerast kam. Zum Glück wurde sie auf die Kühlerhaube geweht! Ihre Beine flogen in die Luft… und dann blies der Wind, stellen Sie sich das vor, unter ihren Kimono und… nun ja, ich muß Ihnen wohl nicht schildern, was dann passierte.«
»Aber natürlich mußt du das!« protestierte einer der Männer.
»Haben Sie denn gar keine Phantasie?« gab sie zurück. »Der Wind blies ihr den Kimono bis über die Hüften hoch. Da sie nicht wollte, daß alle Welt sie nackt sah, warf sie sich herum und landete so, daß ihre Beine weit gespreizt waren und ihre Geschlechtsteile gegen die Windschutzscheibe gepreßt wurden, direkt vor dem Gesicht des Fahrers…«
Inzwischen brüllten die Männer natürlich vor Lachen, auch der Direktor, der mit seiner Saketasse im Stakkato auf die Tischplatte klopfte und rief: »Warum passiert nur mir so etwas nie?«
»Wirklich, Direktor«, sagte Hatsumomo. »Das junge Mädchen war noch Novizin! Der Fahrer bekam also nicht allzuviel zu sehen. Ich meine, können Sie sich vorstellen, die Geschlechtsteile unseres Mädchens gegenüber zu betrachten?« Sie sprach natürlich von mir. »Vermutlich sieht sie nicht viel anders aus als ein Baby.«
»Mädchen kriegen manchmal schon Haare, wenn sie erst elf sind«, warf einer der Männer ein.
»Wie alt bist du, kleine Sayuri-san?« fragte mich Hatsumomo.
»Ich bin vierzehn, Herrin«, antwortete ich betont höflich. »Aber ich bin reif für mein Alter.«
Schon dies gefiel den Männern, und Hatsumomos Lächeln wurde ein wenig verkrampft.
»Vierzehn?« sagte sie. »Wie schön. Und du hast natürlich noch keine Haare…«
»O doch, aber sicher! Jede Menge!« Damit hob ich die Hand und tätschelte meine Frisur.
Das war wohl eine recht schlagfertige Antwort, obwohl ich selbst sie nicht besonders einfallsreich fand. Aber die Männer lachten sogar noch mehr, als sie über Hatsumomos Geschichte gelacht hatten. Auch Hatsumomo lachte, vermutlich weil sie nicht den Eindruck erwecken wollte, daß dieser Scherz auf ihre Kosten ging.
Als das Lachen allmählich erstarb, verließen Mameha und ich die Party. Wir hatten die Tür noch nicht ganz hinter uns geschlossen, als wir schon hörten, daß auch Hatsumomo sich entschuldigte. Sie und Kürbisköpfchen folgten uns die Treppe hinab.
»Also, Mameha-san«, sagte Hatsumomo, »das hat wirklich viel Spaß gemacht! Wir sollten öfter mal gemeinsam arbeiten!«
»Ja, es hat Spaß gemacht«, gab Mameha zurück. »Ich freue mich schon auf das, was die Zukunft bereithält.«
Danach warf mir Mameha einen überaus zufriedenen Blick zu. Es gefiel ihr, Hatsumomo am Boden zerstört zu sehen.
An jenem Abend stand ich, nachdem ich gebadet und mein Make-up entfernt hatte, in der Eingangshalle und beantwortete Tantchens Fragen über den Verlauf meines Tages, als Hatsumomo von der Straße hereinkam und sich vor mir aufbaute. Normalerweise kam sie nicht so früh nach Hause, doch in dem Moment, da ich ihre Miene sah, wußte ich, daß sie nur zurückgekommen war, um mich zur Rede zu stellen. Sie zeigte nicht einmal ihr grausames Lächeln, sondern hatte den Mund
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