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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Golden
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einer Nuß, denn er war klein und rundlich, mit einer gewissen Schwere, vor allem um die Augen herum. Zu jener Zeit waren Bärte in Mode, also trug auch der Baron eine Anzahl langer, weicher Haare im Gesicht, die wohl einem Bart ähneln sollten, für mich aber eher wie eine Art Garnierung aussahen oder wie die feinen Algenstreifen, die zuweilen über eine Schale Reis gestreut werden.
    »Ach, Mameha… ich bin total erschöpft«, hörte ich ihn sagen. »Wie ich diese langen Bahnfahrten hasse!«
    Schließlich trat er aus seinen Schuhen und kam mit kleinen, energischen Schritten durchs Zimmer. Am Morgen hatte Mamehas Ankleider einen Polstersessel und einen Perserteppich aus einem Wandschrank auf der anderen Seite des Flurs geholt und vor dem Fenster deponiert. Darin nahm der Baron jetzt Platz, aber was anschließend geschah, weiß ich nicht, denn Mamehas Dienerin kam zu mir herüber und verneigte sich entschuldigend, bevor sie die Tür mit einem sanften Stoß vollständig schloß.
    Mindestens eine Stunde verbrachte ich in Mamehas kleinem Ankleidezimmer, während das Mädchen im anderen Raum ein und aus ging, um dem Baron das Essen zu servieren. Gelegentlich hörte ich Mamehas leise Stimme, vor allem aber redete der Baron. Einmal glaubte ich, daß er böse auf Mameha sei, aber schließlich hörte ich doch genug, um zu begreifen, daß er sich über einen Mann beschwerte, den er am Tag zuvor getroffen und der ihm persönliche Fragen gestellt hatte, die ihn erzürnten. Als die Mahlzeit schließlich beendet war, trug das Mädchen Teeschalen hinein, dann bat Mameha auch mich ins Zimmer. Als ich hineinging, um vor dem Baron niederzuknien, war ich furchtbar nervös, denn ich hatte noch nie einen Aristokraten kennengelernt. Ich verneigte mich, bat um sein Wohlwollen und dachte, er würde etwas zu mir sagen. Aber er sah sich nur suchend in der Wohnung um und nahm kaum Notiz von mir.
    »Mameha«, sagte er, »was ist aus der Bildrolle geworden, die du sonst in deiner Nische hängen hattest? Es war irgendeine Tuschzeichnung, viel schöner als das Ding, das du jetzt da hängen hast.«
    »Die Rolle, die jetzt dort hängt, Baron, ist ein Gedicht von Matsudaira Koichis Hand, und sie hängt seit fast vier Jahren in dieser Nische.«
    »Vier Jahre? War denn die Tuschzeichnung nicht da, als ich im letzten Monat bei dir war?«
    »War sie nicht… Außerdem hat der Baron mich seit nahezu drei Monaten nicht mehr mit seinem Besuch beehrt.«
    »Kein Wunder, daß ich mich so erschöpft fühle. Ich sage es ja, ich sollte viel mehr Zeit in Kyoto verbringen… nun ja, eins führt immer zum anderen. Zeig mir das Bild, von dem ich gesprochen habe. Ich kann einfach nicht glauben, daß bereits vier Jahre vergangen sein sollen, seit ich es zuletzt gesehen habe.«
    Mameha rief ihre Dienerin und bat sie, das Bild aus dem Wandschrank zu holen. Die Aufgabe, es zu entrollen, fiel mir zu. Meine Hände zitterten so sehr, daß ich es fallen ließ, als ich es dem Baron zur Begutachtung vorhalten wollte.
    »Vorsicht, Mädchen!« mahnte er mich.
    Ich war so verlegen, daß ich, auch nachdem ich mich verneigt und um Entschuldigung gebeten hatte, immer wieder zu dem Baron hinüberblickte, um zu sehen, ob er ärgerlich auf mich war. Während ich die Rolle emporhielt, schien er mehr auf mich als auf das Bild zu schauen. Aber es war kein vorwurfsvoller Blick. Nach einer Weile wurde mir klar, daß es Neugier war, und das schüchterte mich nur noch mehr ein.
    »Dieses Bild ist viel attraktiver als jenes, das jetzt in deiner Nische hängt, Mameha«, sagte er. Aber er schien immer noch mich anzustarren und machte auch keine Anstalten wegzusehen, als ich ihm einen flüchtigen Blick zuwarf. »Außerdem ist Kalligraphie aus der Mode gekommen«, fuhr er fort. »Du solltest das Ding in deiner Nische abnehmen und dieses Landschaftsbild wieder aufhängen.«
    Mameha hatte keine Wahl – sie mußte tun, was der Baron verlangte; sie schaffte es sogar, so auszusehen, als hielte sie das für eine ausgesprochen gute Idee. Nachdem das Mädchen das Bild aufgehängt und das andere aufgerollt hatte, rief mich Mameha herüber, damit ich dem Baron Tee einschenkte. Aus der Vogelperspektive betrachtet, bildeten wir ein kleines Dreieck: Mameha, der Baron und ich. Aber nur Mameha und der Baron unterhielten sich, während ich nur dort kniete und mir vorkam wie eine Taube in einem Nest voller Falken. Zu denken, daß ich mich jemals für gut genug gehalten hatte, jene Art Männer zu unterhalten, die

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