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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Golden
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mehreren Pavillons hindurch zu einer Steintreppe, die unter Bäumen in leuchtenden Herbstfarben nach oben führte. Die Luft, die aus diesem kleinen, modrigen Treppen-Tunnel herauswehte, war kühl wie Wasser, so daß es mir schien, als beträte ich eine andere Welt. Ich hörte ein wischendes Geräusch, das mich an die Flut am Strand erinnerte, doch es war ein Mann, der uns den Rücken zukehrte und mit einem Besen mit schokoladenbraunen Borsten Wasser von der obersten Stufe herunterfegte.
    »Aber Uchida-san!« sagte Mameha. »Haben Sie denn kein Dienstmädchen, das für Sie saubermacht!«
    Der Mann stand oben im vollen Sonnenlicht, so daß er, als er sich zu uns umdrehte, vermutlich kaum mehr erkennen konnte als ein paar Schemen unter den Bäumen. Ich dagegen konnte ihn sehr gut sehen und stellte fest, daß er sehr merkwürdig aussah. In einem Winkel seines Mundes saß wie ein Speiserest ein riesiges Muttermal, und seine Augenbrauen waren so buschig, daß sie aussahen wie Raupen, die aus seinen Haaren hervorgekrochen waren, um sich auf seiner Stirn schlafen zu legen. Alles an ihm war in Unordnung, nicht nur seine grauen Haare, sondern auch sein Kimono, der wirkte, als hätte er letzte Nacht darin geschlafen.
    »Wer ist da?« fragte er barsch.
    »Uchida-san! Erkennen Sie nach all den Jahren immer noch nicht meine Stimme?«
    »Wenn Sie mich ärgern wollen, wer immer Sie sind, dann haben Sie einen guten Zeitpunkt gewählt. Ich bin nicht in der Stimmung für Störungen! Und wenn Sie mir nicht sofort sagen, wer Sie sind, werde ich den Besen nach Ihnen werfen!«
    Uchida-san sah so wütend aus, daß ich mich nicht gewundert hätte, wenn er sich das Muttermal aus dem Mundwinkel gebissen und uns damit bespuckt hätte. Aber Mameha stieg einfach weiter die Stufen empor, und ich folgte ihr, achtete aber sorgfältig darauf, daß ich hinter ihr blieb, um nicht von dem Besen getroffen zu werden.
    »Begrüßen Sie Ihre Besucher immer so, Uchida-san?« fragte Mameha, während sie ins Licht trat.
    Uchida musterte sie blinzelnd. »Ach, Sie sind’s«, sagte er dann. »Warum können Sie nicht wie alle anderen einfach Ihren Namen nennen? Hier, nehmen Sie den Besen, und fegen Sie die Treppe. Niemand darf mein Haus betreten, bevor ich Räucherstäbchen entzündet habe. Mir ist wieder eine von meinen Mäusen gestorben, und da drinnen riecht es wie in einem Sarg.«
    Mameha schien belustigt zu sein. Sie wartete, bis Uchida verschwunden war, und lehnte den Besen an einen Baum.
    »Hast du jemals ein Geschwür gehabt?« fragte sie mich flüsternd. »Wenn Uchida nicht richtig arbeiten kann, wird seine Stimmung fürchterlich. Genau wie bei einem Geschwür, das man aufsticht, muß man dafür sorgen, daß er explodiert, damit er sich wieder beruhigen kann. Wenn man ihm nichts gibt, worüber er sich aufregen kann, wird er anfangen zu trinken, und dann wird alles nur noch schlimmer.«
    »Hält er wirklich Mäuse?« fragte ich sie leise. »Er hat gesagt, eine seiner Mäuse sei gestorben.«
    »Himmel, nein! Er läßt seine Tuscheriegel herumliegen. Dann kommen die Mäuse, fressen die Riegel und vergiften sich daran. Ich habe ihm extra ein Kästchen für seine Tuschen geschenkt, aber er will es nicht benutzen.«
    In diesem Moment ging Uchidas Tür auf, weil er ihr einen heftigen Stoß versetzt hatte und gleich hineingegangen war. Mameha und ich schlüpften aus den Schuhen. Wie in einem Bauernhaus gab es nur einen einzigen großen Raum. In einer der hinteren Ecken sah ich Räucherstäbchen brennen, aber sie hatten noch immer keine Wirkung gezeitigt, denn der Geruch der toten Maus schlug mir mit einer solchen Wucht ins Gesicht, als hätte mir jemand ein Stück Lehm in die Nase gestopft. Der Raum war sogar noch unordentlicher als Hatsumomos Zimmer in seinem allerschlimmsten Zustand. Überall lagen lange Pinsel herum, einige davon zerbrochen oder angenagt, sowie große Holztafeln mit halbfertigen Zeichnungen in Schwarzweiß. Mitten in diesem Durcheinander lag ein ungemachter Futon mit Tuscheflecken auf den Laken. Ich stellte mir vor, daß Uchida selbst überall mit Tuscheflecken übersät war, und als ich mich umdrehte, um ihn mir anzusehen, fragte er mich:
    »Was starrst du mich so an?«
    »Uchida-san, ich möchte Ihnen meine jüngere Schwester Sayuri vorstellen«, sagte Mameha. »Sie ist mit mir den weiten Weg von Gion bis hierher gefahren, nur um die Ehre zu haben, Sie kennenzulernen.«
    Besonders weit war Gion ja nicht entfernt, aber ich kniete auf den

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