Die Geisha - Memoirs of a Geisha
gleichgültig dem Himmel zu. Uchida stand mit konzentrierter Miene wie erstarrt an seiner Tür, fuhr sich dann durch das graue Haar. Aber er betrachtete nicht den Sonnenuntergang, er betrachtete mich!
Wenn Sie jemals Uchida Kosaburos berühmte Tuschzeichnung einer jungen Frau im Kimono gesehen haben, die in einem Zustand der Verzückung mit leuchtenden Augen dasteht… nun, er behauptete von Anfang an hartnäckig, diese Idee stamme von dem, was er an jenem Nachmittag gesehen hatte. Ich habe ihm das nie so recht geglaubt. Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein so wunderschönes Gemälde wirklich auf dem Anblick eines jungen Mädchens beruht, das im Licht des Sonnenuntergangs wie eine Närrin die eigenen Hände bestaunt.
19. KAPITEL
Nach diesem aufregenden Monat, in dem ich dem Direktor wiederbegegnet war – und Nobu, Dr. Krebs und Uchida Kosaburo kennengelernt hatte –, kam ich mir wie eine gefangene Grille vor, der es gelungen war, endlich aus ihrem Weidenkäfig zu entkommen. Zum erstenmal seit Ewigkeiten konnte ich abends mit dem Bewußtsein schlafen gehen, in Gion vielleicht doch nicht ewig so unbemerkt zu bleiben wie ein Tropfen Tee, der auf den Matten verschüttet wird. Zwar ahnte ich noch immer nicht, wie Mamehas Plan aussah, wie mir dieser Plan zu Erfolg verhelfen sollte, oder ob mich ein Erfolg als Geisha mit dem Direktor zusammenführen würde. Aber in jeder Nacht lag ich auf meinem Futon, preßte sein Taschentuch an meine Wange und durchlebte immer wieder von neuem die Begegnung mit ihm. Ich war wie eine Tempelglocke, die noch lange nachhallt, wenn sie geschlagen wird.
Als einige Wochen verstrichen, ohne daß Nachricht von einem der Herren kam, begannen Mameha und ich uns Sorgen zu machen. Doch endlich rief eines Vormittags eine Sekretärin von Iwamura Electric im Ichiriki-Teehaus an und bat für denselben Abend um meine Gesellschaft! Mameha war über diese Nachricht hocherfreut, weil sie hoffte, die Einladung komme von Nobu. Ich war ebenfalls hocherfreut, weil ich hoffte, sie komme vom Direktor. Später erzählte ich Tantchen in Hatsumomos Gegenwart, daß ich Nobu Gesellschaft leisten würde, und bat sie, mir bei der Auswahl eines Kimono-Ensembles zu helfen. Zu meiner Verwunderung kam Hatsumomo mit, um mir zur Hand zu gehen. Auf einen Fremden hätten wir bestimmt wie eine friedliche Familie gewirkt. Hatsumomo kicherte weder, noch machte sie sarkastische Bemerkungen, sondern war mir eine echte Hilfe. Ich glaube, Tantchen war darüber nicht weniger erstaunt als ich. Schließlich einigten wir uns auf einen pastellgrünen Kimono mit einem Blattmuster in Silber und Zinnoberrot und einen grauen, mit Goldfäden durchwirkten Obi. Hatsumomo versprach vorbeizuschauen, damit sie Nobu und mich zusammen sehen konnte.
Als ich an jenem Abend im Flur des Ichiriki kniete, hatte ich das Gefühl, als habe mein ganzes Leben mich auf diesen Augenblick zugeführt. Ich lauschte dem gedämpften Lachen und fragte mich, ob eine der Stimmen dem Direktor gehörte, und als ich die Tür öffnete und ihn am Kopfende des Tisches sitzen sah, während Nobu mir den Rücken zukehrte… nun, da war ich vom Lächeln des Direktors – obwohl es in Wirklichkeit nur ein Nachhall des Lachens zuvor war – so gebannt, daß ich mich energisch zusammennehmen mußte, um das Lächeln nicht zu erwidern. Zuerst begrüßte ich Mameha, dann die wenigen anderen Geishas im Raum und zuletzt die sechs oder sieben Herren. Als ich mich von den Knien erhob, ging ich, wie Mameha es von mir erwartete, direkt zu Nobu. Ich muß mich wohl dichter neben ihn gekniet haben, als mir bewußt war, denn er knallte seine Saketasse verärgert auf den Tisch und rückte ein Stückchen von mir ab. Ich entschuldigte mich bei ihm, aber er beachtete mich nicht, und Mameha runzelte nur ein wenig die Stirn. Den Rest der Zeit verbrachte ich damit, mich ausgesprochen unwohl zu fühlen. Später, als wir zusammen aufbrachen, sagte Mameha zu mir:
»Nobu-san ist sehr schnell verärgert. Sei in Zukunft also ein bißchen vorsichtiger und sieh zu, daß du ihn nicht unnötig reizt.«
»Es tut mir leid, Herrin. Anscheinend mag er mich doch nicht so sehr, wie Sie dachten…«
»O doch, er mag dich. Wenn deine Gesellschaft ihm nicht angenehm gewesen wäre, hättest du die Party in Tränen aufgelöst verlassen. Manchmal ist er so sanft wie ein Sack voll Kies, aber auf seine Art ist er wirklich ein freundlicher Mensch. Du wirst schon sehen.«
Noch in derselben Woche wurde ich von Iwamura
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