Die Geisha - Memoirs of a Geisha
daß sich die Party aufzulösen begann. Nur ein paar Herren blieben zum Abendessen. Die anderen wurden von Mameha und mir zum Haupttor geleitet, wo ihre Chauffeure in einer Nebenstraße auf sie warteten. Verabschiedend verneigten wir uns vor dem letzten Gast, dann wandte ich mich um, und wir ließen uns von einem Diener des Barons ins Haus führen.
Die nächste Stunde verbrachten Mameha und ich im Dienstbotenquartier, wo es ein wundervolles Abendessen gab, zu dem auch tai no usugiri gehörte, papierdünne Scheiben von der Meerbrasse, fächrig auf einer blattförmigen Keramikplatte arrangiert und mit ponzu-Sauce serviert. Ich hätte die Speisen aus vollem Herzen genossen, wäre Mameha nicht so düsterer Stimmung gewesen. Sie aß nur ein paar Bissen von der Meerbrasse und starrte ständig durchs Fenster in die Dämmerung hinaus. Irgend etwas an ihrer Miene ließ mich vermuten, daß sie gern wieder zum Teich hinabgegangen wäre, sich dort hingesetzt, sich vielleicht auf die Lippen gebissen und voll Zorn zum Abendhimmel emporgestarrt hätte.
Anschließend gesellten wir uns wieder zu dem Baron und seinen Gästen, die ihr Essen in dem vom Baron so genannten »kleinen Bankettsaal« schon halbwegs hinter sich gebracht hatten. In Wirklichkeit hätte der »kleine Bankettsaal« vermutlich zwanzig bis fünfundzwanzig Personen gefaßt, doch da die Party weitgehend geschrumpft war, saßen dort nur noch die Herren Arashino, Nobu und Dr. Krebs. Als wir eintraten, aßen alle in tiefem Schweigen. Der Baron war so betrunken, daß seine Augen in den Höhlen herumzuschwappen schienen.
Gerade als Mameha ein Gespräch beginnen wollte, wischte Dr. Krebs sich mit der Serviette zweimal den Schnauzbart und entschuldigte sich, um zur Toilette zu gehen. Ich führte ihn denselben Gang entlang, den Nobu und ich zuvor durchmessen hatten. Nun, da der Abend gekommen war, konnte ich die Objekte kaum ausmachen, weil die Deckenlichter sich im Glas der Vitrinen spiegelten. Doch Dr. Krebs blieb vor dem Schaukasten mit den Schwertern stehen und drehte den Kopf so lange, bis er sie erkennen konnte.
»Du kennst dich gut aus im Haus des Barons«, bemerkte er.
»Aber nein, Herr, ich fühle mich ganz verloren in einem so großen Palast. Diesen Weg kenne ich nur, weil ich vorhin Nobu-san durch diesen Gang geführt habe.«
»Ich wette, er ist wie ein Sturmwind hier durchgebraust«, sagte der Doktor. »Ein Mann wie Nobu weiß so kostbare Dinge, wie diese Vitrinen sie enthalten, kaum zu schätzen.«
Ich wußte nicht, was ich dazu sagen sollte, aber der Doktor sah mich durchdringend an.
»Du hast noch nicht viel von der Welt gesehen«, fuhr er fort, »doch mit der Zeit wirst du lernen, dich vor jedem zu hüten, der so arrogant ist, eine Einladung von einem Mann wie dem Baron zu akzeptieren, um dann später in seinem eigenen Haus so unhöflich mit ihm umzugehen, wie Nobu es heute nachmittag getan hat.«
Ich verneigte mich, und als klar war, daß Dr. Krebs nichts weiter zu sagen hatte, führte ich ihn zu den Toiletten.
Als wir in den Bankettsaal zurückkehrten, waren die Herren dank Mamehas geschickter Hilfestellung in ein eifriges Gespräch vertieft. Mameha saß im Hintergrund und schenkte Sake ein. Sie sagte oft, die Rolle einer Geisha sei manchmal nur, die Suppe umzurühren. Wenn Sie je gesehen haben, wie Miso sich auf dem Grund einer Schale in einer Wolke niederschlägt, sich nach ein paar Schlägen mit den Eßstäbchen jedoch sofort wieder auflöst – genau das meinte sie damit.
Bald wandte sich das Gespräch dem Thema Kimonos zu, und wir alle begaben uns nach unten in das unterirdische Museum des Barons. Riesige Paneele an den Wänden öffneten sich, um Kimonos freizugeben, die an Gleitstangen hingen. Der Baron saß– immer noch triefäugig – auf einem Hocker mitten im Raum, hatte die Ellbogen auf die Knie gestützt und sprach kein Wort, während Mameha uns durch die Sammlung führte. Der spektakulärste Kimono war, wie wir alle entschieden, ein Gewand, das eine Landschaft der Stadt Kobe darstellen sollte, hingestreckt am Hang eines hohen Berges, der zum Ozean hin steil abfiel. Das Muster begann an den Schultern mit blauem Himmel und weißen Wolken, die Knie repräsentierten den Berghang, und darunter lief der Kimono in einer langen Schleppe aus, die das Blaugrün des Meeres darstellte, betupft mit wunderschönen Goldwellen und winzigen Schiffen.
»Mameha«, sagte der Baron, »ich glaube, den solltest du zu meiner Blütenparty nächste Woche in
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