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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Golden
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wie mir die Ohren heiß wurden. Ich fürchtete, Mameha würde das merken, aber sie hatte den Blick abgewandt und sprach bis ans Ende der Fahrt kein Wort. Da drehte sie sich zu mir um und sagte: »Du mußt in Hakone sehr vorsichtig sein, Sayuri.«
    »Ja, Herrin, das werde ich«, gab ich zurück.
    »Und vergiß niemals, daß eine Lerngeisha kurz vor der mizuage einer Mahlzeit gleicht. Kein Mann wird sie anrühren, wenn er auch nur andeutungsweise hört, daß ein anderer Mann schon einen Bissen davon probiert hat.«
    Als sie das sagte, konnte ich ihr nicht in die Augen sehen. Ich wußte genau, daß sie den Baron meinte.

22. KAPITEL
    Zu jener Zeit wußte ich nicht einmal, wo Hakone lag; heute dagegen kann ich Ihnen erklären, daß es in Ostjapan liegt, also ziemlich weit von Kyoto entfernt. Die ganze Woche lang war ich von dem äußerst angenehmen Gefühl meiner Wichtigkeit erfüllt, weil ein so prominenter Mann wie der Baron mich eingeladen hatte, von Kyoto her anzureisen, um an einer Party teilzunehmen. Ja, ich konnte kaum meine Aufregung verbergen, als ich endlich meinen Platz in einem hübschen Abteil zweiter Klasse einnahm, während Herr Itchoda, Mamehas Ankleider, am Durchgang saß, um jeden, der mich etwa ansprechen wollte, höflich daran zu hindern. Ich tat, als vertriebe ich mir die Zeit mit dem Lesen einer Zeitschrift, in Wirklichkeit blätterte ich jedoch nur die Seiten um, denn ich war damit beschäftigt, aus den Augenwinkeln zu beobachten, wie die Leute, die durch den Gang kamen, langsamer wurden, um mich anzusehen. Ich genoß ihre Aufmerksamkeit. Doch als wir kurz nach zwölf Uhr mittags Shizuoka erreichten und auf den Zug nach Hakone warteten, spürte ich, wie plötzlich unangenehme Erinnerungen in mir aufwallten. Den ganzen Tag über hatte ich es aus meinem Bewußtsein verdrängt, nun aber stand mir nur allzu deutlich das Bild vor Augen, wie ich auf einem anderen Bahnsteig stand, um eine andere Bahnreise anzutreten – damals mit Herrn Bekku –, und zwar an dem Tag, an dem meine Schwester und ich aus unserem Elternhaus geholt worden waren. Beschämt muß ich gestehen, daß ich mir all diese Jahre große Mühe gegeben hatte, nicht an Satsu zu denken, an meine Eltern und an unser beschwipstes Haus auf den Meeresklippen. Ich war wie ein Kind gewesen, dessen Kopf in einem Sack steckt. Alles, was ich täglich zu sehen bekommen hatte, war Gion – bis ich zu der Überzeugung gelangt war, Gion sei alles, sei das einzig Wichtige auf der Welt. Nun aber, da ich mich außerhalb Kyotos befand, entdeckte ich, daß das Leben der meisten Menschen nicht das geringste mit Gion zu tun hatte, und natürlich mußte ich da an jenes andere Leben denken, das ich früher einmal geführt hatte. Kummer ist ein seltsames Gefühl: Wir sind ihm so hilflos ausgeliefert. Er ist wie ein Fenster, das sich plötzlich ganz von selbst auftut. Es wird kalt im Zimmer, und wir können nichts anderes tun als zittern. Aber jedesmal öffnet es sich ein bißchen weniger, und eines Tages fragen wir uns, wo es wohl geblieben ist.
    Am späten Vormittag des folgenden Tages wurde ich von einem der Automobile des Barons in dem kleinen Gasthof mit Blick auf den Fujiyama abgeholt und zu seinem Sommerhaus in einem wunderschönen Wäldchen am Ufer eines Sees gebracht. Als wir in einer kreisrunden Auffahrt hielten und ich im vollen Staat einer Lerngeisha aus Kyoto ausstieg, wandten sich viele Gäste des Barons neugierig um und starrten mich an. Unter ihnen entdeckte ich eine Anzahl Frauen, manche im Kimono, andere in westlicher Kleidung. Später wurde mir klar, daß es sich zumeist um Geishas aus Tokyo handelte, denn bis Tokyo waren es nur ein paar Zugstunden. Dann erschien der Baron persönlich. Er kam in Begleitung mehrerer Herren aus dem Wald.
    »Also das ist es, worauf wir alle gewartet haben!« sagte er. »Dieses bezaubernde Ding ist Sayuri aus Gion, die eines Tages vermutlich ›die große Sayuri aus Gion‹ sein wird. Nie wieder werden Sie Augen sehen wie die ihren, das kann ich Ihnen versichern. Und warten Sie nur, bis Sie sehen, wie sie sich bewegt… Ich habe dich hierher eingeladen, Sayuri, damit all diese Herren Gelegenheit haben, dich anzusehen, du hast also eine wichtige Aufgabe zu übernehmen. Du mußt überall umherwandern – im Haus, unten am See, durch den Wald, einfach überall! Und nun machst du dich schnell an die Arbeit!«
    Also begann ich, wie der Baron von mir verlangte, zwischen den Kirschbäumen mit ihren schweren Blütenzweigen

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