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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Golden
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auf dem Grundstück umherzuwandern, verneigte mich hier und da vor den Gästen und versuchte, nicht allzu auffallend nach dem Direktor Ausschau zu halten. Ich kam nur ziemlich langsam voran, denn alle paar Schritte hielt mich der eine oder andere Mann an und sagte so etwas wie: »Du lieber Himmel! Eine Lerngeisha aus Kyoto!« Dann holte er seine Kamera heraus und bat jemanden, ein Foto von uns beiden zu machen, oder spazierte mit mir an den See zu dem kleinen Mondpavillon oder wohin auch immer, damit er mich seinen Freunden vorführen konnte, als wäre ich ein prähistorisches Wesen, das er im Netz gefangen hatte. Mameha hatte vorausgesagt, daß alle von mir fasziniert sein würden, denn nichts kommt einer Lerngeisha aus Gion gleich. Gewiß, in den besseren Geishavierteln von Tokyo wie etwa Shimbashi oder Akasaka müssen die Mädchen die Künste genauso beherrschen, wenn sie ihr Debüt machen wollen, doch viele der Geishas in Tokyo waren damals sehr modern in ihren Neigungen und trugen deswegen auf dem Besitz des Barons westliche Kleidung.
    Die Party des Barons schien kein Ende zu nehmen. Am Nachmittag hatte ich die Hoffnung, den Direktor zu finden, so gut wie ganz aufgegeben und ging ins Haus, um mir einen stillen Ort zu suchen, wo ich mich ein wenig ausruhen konnte. Doch kaum hatte ich die Eingangshalle betreten, fühlte ich mich wie gelähmt. Denn wer kam da, ins Gespräch mit einem anderen Herrn vertieft, aus einem Tatami-Zimmer? Kein anderer als der Direktor! Die beiden verabschiedeten sich voneinander, dann wandte sich der Direktor mir zu.
    »Sayuri!« sagte er. »Wie hat der Baron dich denn den ganzen Weg von Kyoto hierhergelockt? Ich wußte nicht mal, daß du ihn kennst.«
    Mir war klar, daß ich den Blick vom Direktor lösen mußte, aber das war, als versuche man mit der Hand Nägel aus der Wand zu ziehen. Als es mir schließlich doch gelang, verneigte ich mich vor ihm und antwortete:
    »Mameha-san hat mich an ihrer Stelle hergeschickt. Es freut mich sehr, daß ich die Ehre habe, den Direktor hier zu sehen.«
    »Ja, und ich freue mich auch, dich zu sehen. Du könntest mir übrigens deine Meinung zu einem Geschenk sagen, das ich dem Baron mitgebracht habe. Ich bin versucht, mich zu verabschieden, ohne es ihm zu überreichen.«
    Wie ein Drachen, der an einer Schnur gezogen wird, folgte ich ihm in das Tatami-Zimmer. Hier war ich, in Hakone, unendlich weit von allem entfernt, was mir bekannt war, und verbrachte ein paar Minuten mit dem Mann, an den ich öfter und intensiver gedacht hatte als an alle anderen, und dieser Gedanke nahm mir den Atem. Während er vor mir herging, bewunderte ich unwillkürlich die Ungezwungenheit, mit der er sich in seinem Maßanzug aus Wollstoff bewegte. Ich konnte seine Waden unter dem Stoff ausmachen, ja sogar sein Kreuz, das der Vertiefung am Fuß eines Baumes glich, wo sich die Wurzeln teilen. Er nahm einen Gegenstand vom Tisch und reichte ihn mir. Anfangs dachte ich, es sei ein verzierter Goldbarren, doch wie sich herausstellte, handelte es sich um ein antikes Kosmetikkästchen. Dieses stammte, wie mir der Direktor erklärte, von Arata Gonroku, einem Künstler aus der Edo-Zeit. Es war ein kissenförmiges Goldlackkästchen mit einem weich gezeichneten schwarzen Dekor aus fliegenden Kranichen und hoppelnden Hasen. Als er es mir in die Hände legte, war ich so überwältigt, daß ich den Atem anhielt, während ich es betrachtete.
    »Meinst du, daß sich der Baron darüber freuen wird?« fragte er mich. »Ich habe es letzte Woche gesehen und dabei sofort an ihn gedacht, aber…«
    »Aber Direktor! Können Sie sich etwa vorstellen, daß sich der Baron nicht darüber freuen würde?«
    »Ach, der Mann sammelt alles mögliche. Das hier betrachtet er vielleicht als drittklassig.«
    Ich versicherte dem Direktor, daß bestimmt niemand auf einen solchen Gedanken käme, und als ich ihm das Kästchen zurückgab, verpackte er es wieder in einem Seidentuch und nickte zur Tür, damit ich ihm folge. In der Eingangshalle half ich ihm in seine Schuhe. Während ich seinen Fuß mit den Fingerspitzen dirigierte, stellte ich mir unwillkürlich vor, wir hätten den Nachmittag zusammen verbracht und vor uns liege ein langer Abend. Dieser Gedanke versetzte mich in einen solchen Zustand, daß ich nicht weiß, wieviel Zeit verging, bis ich wieder zu mir kam. Der Direktor ließ keinerlei Anzeichen von Ungeduld erkennen, aber ich war trotzdem sehr befangen, als ich in meine okobo schlüpfen wollte und weit

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