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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Golden
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weinte.
    Eines Nachts im Frühling 1944, als ich drei, vier Monate bei den Arashinos war, erlebten wir unseren ersten Luftangriff. Die Sterne waren so klar, daß wir die Silhouetten der Bomber erkennen konnten, die über uns hinwegflogen, und außerdem natürlich die »Sternschnuppen«– so kamen sie uns vor –, die vom Boden aus emporstiegen und in ihrer Nähe explodierten. Ständig fürchteten wir, dieses grauenhafte Pfeifen zu hören und mit ansehen zu müssen, wie ganz Kyoto um uns herum in Flammen aufging, und wenn es so gekommen wäre, hätte das unserem Leben auf jeden Fall ein Ende gesetzt, ob wir nun umgekommen wären oder nicht. Denn Kyoto ist so zart wie ein Schmetterlingsflügel, und wenn es vernichtet worden wäre, hätte es sich nie wieder erholen können wie Osaka und Tokyo und so viele andere Städte. Aber die Bomber flogen über uns hinweg, nicht nur in jener Nacht, sondern von da an Nacht für Nacht. An vielen Abenden beobachteten wir, wie sich der Mond von den Bränden in Osaka rot färbte, und manchmal sahen wir Ascheflocken wie fallendes Laub durch die Luft wirbeln – sogar bei uns in Kyoto, fünfzig Kilometer entfernt. Sie können sich vorstellen, wie verzweifelt ich mich um den Direktor und Nobu sorgte, deren Firma ihren Hauptsitz in Osaka hatte und die beide Privathäuser sowohl dort als auch in Kyoto besaßen.
    Außerdem fragte ich mich, was wohl aus meiner Schwester Satsu werden sollte, wo immer sie war. Ich glaube, es ist mir nie richtig bewußt geworden, doch seit der Woche, in der sie davongelaufen war, trug ich insgeheim die Vorstellung mit mir herum, daß unser Lebensweg uns eines Tages wieder zusammenführen würde. Vielleicht schickt sie mir ja über die Nitta-Okiya einen Brief oder kommt nach Kyoto zurück, um mich zu suchen, dachte ich. Doch dann, eines Nachmittags, als ich mit dem kleinen Juntaro einen Spaziergang am Fluß entlang machte, wo wir am Ufer Steine auflasen und ins Wasser zurückwarfen, wurde mir auf einmal klar, daß Satsu niemals nach Kyoto zurückkehren würde, um mich zu suchen. Jetzt, da ich selbst ein armseliges Leben führte, sah ich ein, daß eine Reise – egal, aus welchem Grund – in eine weit entfernte Stadt einfach unmöglich war. Und selbst wenn sie käme, würden wir uns auf der Straße nicht wiedererkennen. Und was meine Phantasievorstellung betraf, daß sie mir einen Brief schreiben könnte… nun ja, auch dabei kam ich mir plötzlich töricht vor. Hatte ich wirklich all diese Jahre gebraucht, um zu begreifen, daß Satsu nicht einmal den Namen der Nitta-Okiya kannte? Auch wenn sie gewollt hätte – sie hätte mir nicht schreiben können, es sei denn, sie setzte sich mit Herrn Tanaka in Verbindung, und das würde sie bestimmt nicht tun. Während der kleine Juntaro immer weiter Steine ins Wasser warf, hockte ich neben ihm und ließ mit einer Hand Wasser auf mein Gesicht tropfen, während ich ihm zulächelte und so tat, als brauchte ich eine Abkühlung. Meine kleine List muß wohl gewirkt haben, denn Juntaro schien keine Ahnung zu haben, daß etwas nicht stimmte.
    Not gleicht einem starken Wind. Damit meine ich nicht nur, daß sie uns von Orten fernhält, die wir sonst wohl aufgesucht hätten. Nein, sie entreißt uns auch alles bis auf das, was uns nicht entrissen werden kann, so daß wir danach dastehen, wie wir wirklich sind, und nicht so, wie wir vielleicht gern wären. Herrn Arashinos Tochter zum Beispiel verlor den Ehemann durch den Krieg und konzentrierte sich von da an ausschließlich auf zwei Dinge: ihren kleinen Sohn zu versorgen und Fallschirme für die Soldaten zu nähen. Nur dafür schien sie noch zu leben. Als sie dann dünner und dünner wurde, wußte man genau, wohin jedes einzelne Gramm von ihr ging. Bei Kriegsende klammerte sie sich an dieses Kind, als wäre der Junge der Klippenrand, der verhinderte, daß sie unten auf die Felsen stürzte.
    Weil ich schon einmal Not erlebt hatte, war das, was ich über mich selbst erfuhr, wie eine Erinnerung an etwas, was ich früher einmal gewußt, dann aber nahezu vergessen hatte – nämlich, daß mein Leben unter der eleganten Kleidung, der vollendeten Tanzkunst und der klugen Konversation im Grunde keineswegs komplex war, sondern so einfach wie ein Stein, der zu Boden fällt. Mein einziges Ziel bei allem, was ich während der vergangenen zehn Jahre getan hatte, war es gewesen, die Zuneigung des Direktors zu gewinnen. Tag für Tag beobachtete ich, wie die flinken Wellen der Kamo-Stromschnellen an

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