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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Golden
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zu verwirrt und aufgewühlt, um Durst zu verspüren. Anschließend erzählte mir Nobu von dem Nest, das er vorbereitet hatte. Es war das Haus seines guten Freundes Arashino Isamu, des Kimono-Schneiders. Ich weiß nicht, ob Sie sich an ihn erinnern – er war Ehrengast auf der Party, die der Baron vor Jahren auf seinem Besitz gegeben hatte und zu der auch Nobu und Dr. Krebs geladen waren. Sein Haus, das zugleich seine Werkstatt war, lag am Kamo-Fluß bei den Untiefen, ungefähr fünf Kilometer stromaufwärts von Gion. Bis vor wenigen Jahren hatten er, seine Frau und seine Tochter Kimonos in dem bezaubernden Yuzen-Stil angefertigt, für die er berühmt war. In letzter Zeit mußten die Kimono-Schneider jedoch Fallschirme nähen, denn schließlich waren sie im Verarbeiten von Seide geübt. Es sei eine Arbeit, die ich schnell lernen werde, versicherte mir Nobu, und die Familie Arashino sei gern bereit, mich aufzunehmen. Nobu selbst werde sich um die notwendigen Schritte bei den Behörden kümmern. Dann schrieb er mir die Adresse von Herrn Arashinos Haus auf ein Blatt Papier, das er mir überreichte.
    Immer wieder versicherte ich Nobu, wie dankbar ich ihm sei. Und je länger ich es ihm versicherte, desto selbstzufriedener wirkte er. Gerade als ich ihm einen Spaziergang im frisch gefallenen Schnee vorschlagen wollte, warf er einen Blick auf seine Uhr und leerte sein Glas mit einem einzigen Zug.
    »Sayuri«, sagte er dann, »ich weiß weder, wann wir uns wiedersehen werden, noch weiß ich, wie die Welt dann aussehen wird. Bis dahin mögen wir beide viele furchtbare Dinge gesehen haben. Aber jedesmal, wenn ich mich davon überzeugen muß, daß es noch Schönheit und Güte auf dieser Welt gibt, werde ich an dich denken.«
    »Nobu-san! Vielleicht hätten Sie Dichter werden sollen!«
    »Du weißt genau, daß ich nichts von einem Dichter habe.«
    »Sollen Ihre bezaubernden Worte bedeuten, daß Sie mich verlassen wollen? Ich hatte gehofft, daß wir einen Spaziergang zusammen machen.«
    »Dazu ist es viel zu kalt. Aber du darfst mich zur Tür begleiten, und wir werden uns dort verabschieden.«
    Ich folgte Nobu die Treppe hinab und kauerte mich im Eingang des Teehauses nieder, um ihm in seine Schuhe zu helfen. Anschließend schlüpfte ich in die hohen hölzernen geta, die ich wegen des vielen Schnees trug, und brachte Nobu bis zur Straße. Vor Jahren hätte dort eine Limousine auf ihn gewartet, doch nun durften nur Regierungsbeamte ein Auto benutzen, denn Benzin war knapp. Ich erbot mich, ihn bis zur Straßenbahn zu begleiten.
    »Im Moment wünsche ich deine Begleitung nicht«, erwiderte Nobu. »Ich muß zu einer Besprechung mit unserem Händler in Kyoto. Ich habe ohnehin schon viel zuviel zu bedenken.«
    »Ich muß sagen, Nobu-san, daß mir Ihre Abschiedsworte oben im Zimmer weit lieber waren.«
    »Dann solltest du das nächstemal oben bleiben.«
    Ich verneigte mich und sagte Nobu Lebewohl. Die meisten Männer hätten sich irgendwann umgedreht, um zu mir zurückzublicken, Nobu aber stapfte bis zur Straßenecke durch den Schnee, bog in die Shijo-Avenue ein und war verschwunden. Ich hielt den Zettel mit Herrn Arashinos Adresse in der Hand. Wie ich feststellte, preßte ich ihn in meiner Hand so fest zusammen, daß ich ihn, wäre das möglich gewesen, völlig zerdrückt hätte. Ich wußte nicht, warum ich so nervös und ängstlich war. Nachdem ich jedoch einen Moment in den Schnee hinausgestarrt hatte, der noch immer um mich herum fiel, betrachtete ich Nobus tiefe Fußstapfen, die bis zur Straßenecke führten, und glaubte genau zu wissen, was mich verstörte. Wann würde ich Nobu je wiedersehen? Oder den Direktor? Oder Gion selbst? Schon einmal, als Kind, war ich aus meiner gewohnten Umgebung gerissen worden. Wahrscheinlich war es die Erinnerung an jene schrecklichen Jahre, die bewirkte, daß ich mich auf einmal entsetzlich einsam fühlte.

29. KAPITEL
    Vermutlich denken Sie jetzt, da ich eine erfolgreiche junge Geisha mit zahlreichen Bewunderern war, hätte sich ein anderer erboten, mir zu helfen, wenn Nobu sich nicht gemeldet hätte. Doch eine Geisha in Not ist beileibe kein Edelstein, der auf der Straße herumliegt, wo sich jedermann nur allzugern nach ihm bückt. Jede einzelne der vielen hundert Geishas in Gion suchte in jenen letzten Wochen einen Zufluchtsort, aber nur wenigen war es vergönnt, auch einen zu finden. Sie sehen also, warum ich mich mit jedem Tag, den ich bei der Familie Arashino verbrachte, tiefer in Nobus Schuld

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