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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Golden
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fühlte.
    Erst als ich im Frühling des darauffolgenden Jahres erfuhr, daß die Geisha Raiha in dem Brandbombenangriff auf Tokyo gestorben war, merkte ich, wie glücklich ich mich in Wirklichkeit schätzen konnte. Es war Raiha gewesen, die uns zum Lachen gebracht hatte, als sie erklärte, nichts sei so trostlos wie die Zukunft, es sei denn die Vergangenheit. Sie und ihre Mutter waren prominente Geishas gewesen, ihr Vater war Mitglied einer berühmten Kaufmannsfamilie; von allen Bewohnern Gions hätte Raiha den Krieg am ehesten überleben müssen. Kurz vor dem Tod hatte sie ihren kleinen Neffen auf dem Anwesen ihres Vaters im Denenchofu-Viertel von Tokyo ein Buch vorgelesen und sich wahrscheinlich so sicher gefühlt wie in Kyoto. Seltsamerweise starb bei demselben Luftangriff, dem Raiha zum Opfer fiel, auch der große Sumo-Ringer Miyagiyama. Beide hatten in relativem Luxus gelebt. Kürbisköpfchen dagegen, die auf mich so verloren gewirkt hatte, überlebte den Krieg, obwohl das Optikwerk am Stadtrand von Osaka, in dem sie arbeitete, fünf- oder sechsmal bombardiert wurde. Ich selbst lernte in jenem Jahr, daß nichts so unvorhersehbar ist wie die Frage, wer einen Krieg überlebt und wer nicht. Mameha überlebte als Schwesternhelferin in einem kleinen Krankenhaus in der Fukui-Präfektur, ihre Dienerin Tatsumo dagegen wurde von der schrecklichen Bombe auf Nagasaki getötet, während Herr Itchoda, ihr Ankleider, bei einer Luftschutzübung an einem Herzanfall starb. Herr Bekku dagegen arbeitete auf einem Marinestützpunkt in Osaka und überlebte irgendwie. Genau wie General Tottori, der bis zu seinem Tod Mitte der fünfziger Jahre im Suruya-Gasthaus wohnte. Und der Baron. Obwohl ich leider sagen muß, daß der Baron sich während der ersten Jahre der Alliierten-Besatzung in seinem herrlichen Teich ertränkte, nachdem ihm nicht nur der Adelstitel, sondern auch zahlreiche seiner Besitzungen weggenommen worden waren. Vermutlich war er außerstande, eine Welt zu ertragen, in der er nicht mehr all seinen Launen nachgeben konnte.
    Was Mutter betrifft, so hatte ich nie einen Zweifel daran, daß sie überleben würde. Mit ihrer hochentwickelten Fähigkeit, vom Leiden anderer zu profitieren, begann sie so selbstverständlich auf dem grauen Markt zu arbeiten, daß es aussah, als hätte sie das ihr Leben lang getan: Sie verbrachte den Krieg damit, anderer Leute Erbstücke zu kaufen und zu verkaufen und immer reicher und reicher statt immer ärmer zu werden. Wann immer Herr Arashino einen Kimono aus seiner Sammlung verkaufte, um zu Bargeld zu kommen, bat er mich, Mutter zu benachrichtigen, damit sie ihn für ihn retten konnte. Denn ein großer Teil aller Kimonos, die in Kyoto verkauft wurden, ging unfehlbar durch ihre Hände. Vermutlich hoffte Herr Arashino, daß Mutter auf ihren Profit verzichten und seine Kimonos ein paar Jahre zurückhalten würde, bis er sie ihr wieder abkaufen konnte; aber sie konnte diese Kimonos niemals finden – das behauptete sie jedenfalls.
    Während der Jahre, die ich in ihrem Haus verbrachte, behandelten die Arashinos mich überaus freundlich. Tagsüber half ich ihnen beim Nähen von Fallschirmen. In der Nacht schlief ich neben ihrer Tochter und ihrem Enkelsohn auf Futons, die auf dem Fußboden der Werkstatt ausgebreitet wurden. Wir hatten so wenig Holzkohle, daß wir, um es ein wenig warm zu haben, gepreßtes Laub, Zeitungen oder Zeitschriften verbrannten – alles, was wir finden konnten. Noch knapper waren natürlich die Lebensmittel geworden. Sie können sich nicht vorstellen, was wir alles essen lernten, etwa die Sojakleie, mit der sonst das Vieh gefüttert wurde, und etwas ganz Gräßliches namens nukapan, das aus gebratener Reiskleie mit Weizenmehl bestand. Es sah wie altes, verschrumpeltes Leder aus, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob Leder nicht doch besser geschmeckt hätte. Sehr selten gab es kleine Mengen Kartoffeln oder Süßkartoffeln, getrocknetes Walfleisch, Wurst aus Seehunden und manchmal Sardinen, die man in Japan sonst nur als Dünger benutzte. In diesen Jahren magerte ich so sehr ab, daß mich in Gion niemand mehr auf der Straße erkannt hätte. An manchen Tagen weinte Juntaro, der kleine Enkel der Arashinos, vor Hunger, was Herr Arashino jedesmal zum Anlaß nahm, wieder einen Kimono aus seiner Sammlung zu verkaufen. Diese Art zu leben wurde von uns Japanern als »Zwiebelleben« bezeichnet: Man schälte eine Schicht nach der anderen herunter, während man ständig dabei

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