Die Geisha - Memoirs of a Geisha
»Vor allem, wenn eine davon Nobu in schlechter Stimmung ist.«
»Ich habe ihm vorgeschlagen, das nächstemal den Direktor mitzubringen. Und außerdem brauchen wir noch eine andere Geisha, meinen Sie nicht auch? Irgendeine, die laut und komisch ist.«
»Ja«, antwortete Mameha, »vielleicht komme ich einen Moment vorbei…«
Anfangs war ich verwirrt, als ich sie das sagen hörte, denn kein Mensch würde Mameha als »laut und komisch« einstufen. Gerade wollte ich ihr noch einmal erklären, was ich meinte, als sie das Mißverständnis schon zu begreifen schien und sagte: »Ja, ich komme gern vorbei… aber wenn du jemanden brauchst, der laut und komisch ist, solltest du vielleicht mit unserer alten Freundin Kürbisköpfchen sprechen.«
Seit ich nach Gion zurückgekehrt war, begegneten mir überall die Erinnerungen an Kürbisköpfchen. Sobald ich die Okiya betreten hatte, mußte ich an den Tag denken, an dem Gion geschlossen wurde und sie in der offiziellen Eingangshalle stand, um sich so steif vor mir zu verneigen, wie es sich der Adoptivtochter gegenüber gehörte. Ja, während der ganzen Putzwoche mußte ich immer wieder an sie denken. Einmal, als ich der Dienerin half, den Staub von den Holzbohlen zu wischen, war mir, als sähe ich Kürbisköpfchen direkt vor mir auf dem Verandagang Shamisen üben. Der leere Platz schien eine furchtbare Traurigkeit auszustrahlen. War es wirklich schon so viele Jahre her, daß wir hier als kleine Mädchen herumgesprungen waren? Vermutlich hätte ich das Ganze mühelos verdrängen können, aber die Enttäuschung darüber, daß unsere Freundschaft erkaltet war, hatte ich nie so recht verwinden können. Das führte ich auf jene furchtbare Rivalität zurück, die Hatsumomo uns aufgezwungen hatte. Meine Adoption war natürlich der Todesstoß gewesen, und dennoch fühlte ich mich unwillkürlich schuldig. Kürbisköpfchen war zu mir immer freundlich gewesen. Ich hätte eine Möglichkeit finden müssen, ihr dafür zu danken.
Seltsamerweise hatte ich nie daran gedacht, mich an Kürbisköpfchen zu wenden, bis Mameha es mir vorschlug. Ich war mir zwar sicher, daß die erste Begegnung ein bißchen unangenehm wäre, aber ich dachte die ganze Nacht darüber nach und entschied, daß Kürbisköpfchen sich möglicherweise darüber freuen würde, zur Abwechslung von den Soldatenpartys in einen etwas eleganteren Kreis eingeführt zu werden. Natürlich hatte ich auch noch einen anderen Beweggrund, denn nun, nachdem so viele Jahre vergangen waren, würde es vielleicht gelingen, unsere Freundschaft wieder zu kitten.
Da ich über Kürbisköpfchens Lebensumstände so gut wie gar nichts wußte – nur, daß sie wieder in Gion war –, ging ich zu Tantchen, die einige Jahre zuvor einen Brief von ihr erhalten hatte. Wie sich herausstellte, hatte Kürbisköpfchen in diesem Brief gebeten, wieder in der Okiya aufgenommen zu werden, wenn sie eröffnet wurde, weil sie sonst nie wieder einen Platz auf Dauer finden würde. Tantchen wäre dazu bereit gewesen, aber Mutter weigerte sich mit der Begründung, daß Kürbisköpfchen eine schlechte Geldanlage sei.
»Sie lebt in einer schäbigen, kleinen Okiya drüben im Hanami-cho-Viertel«, teilte mir Tantchen mit. »Aber zerfließ bloß nicht vor Mitleid mit ihr und hol sie zu einem Besuch hierher. Mutter wird sie nicht sehen wollen. Und ich halte es für töricht, daß du überhaupt mit ihr sprechen willst.«
»Ich muß gestehen«, sagte ich, »daß ich bei allem, was zwischen Kürbisköpfchen und mir vorgefallen ist, kein gutes Gefühl hatte…«
»Zwischen euch ist doch gar nichts vorgefallen. Kürbisköpfchen hat versagt, und du hattest Erfolg. Wie dem auch sei, jetzt geht es ihr gut. Wie ich höre, können die Amerikaner gar nicht genug von ihr kriegen. Sie ist ungehobelt, weißt du, genau die Richtige für diese Soldaten.«
Am selben Nachmittag noch überquerte ich die Shijo-Avenue ins Viertel Hanami-cho und suchte die schäbige kleine Okiya, von der Tantchen mir erzählt hatte. Wenn Sie sich an Hatsumomos Freundin Korin erinnern, deren Okiya Jahre vor dem Krieg niederbrannte… Nun, das Feuer hatte auch die Okiya gleich nebenan beschädigt, und genau dort lebte Kürbisköpfchen jetzt. Die Außenwände waren an einer Stelle angekohlt, und den Teil des Ziegeldaches, das verbrannt war, hatte man mit Holzbrettern geflickt. In gewissen Vierteln von Tokyo oder Osaka wäre die Okiya vermutlich das besterhaltene Haus gewesen, mitten in Kyoto aber hob sie sich
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