Die Geisha - Memoirs of a Geisha
weiß nicht, einfach viel Lärm macht! Alle ablenkt. Ich meine… ich habe das Gefühl, daß wir auch noch einen Gast benötigen, nicht nur eine weitere Geisha.«
»Dazu sehe ich keinen Grund.«
»Wenn der Minister damit beschäftigt ist, Sake zu trinken und mich anzustarren, und Sie damit beschäftigt sind, ihn immer ärgerlicher zu finden, werden wir keinen festlichen Abend haben«, erklärte ich ihm. »Ehrlich gesagt, Nobu-san, vielleicht sollten Sie nächstesmal den Direktor mitbringen.«
Sie mögen sich fragen, ob ich von Anfang an geplant hatte, auf diesen Punkt hinzusteuern. Es ist ja auch wirklich wahr, daß ich mir von meiner Rückkehr nach Gion vor allem Möglichkeiten erhoffte, mit dem Direktor zusammenzusein. Nicht, daß ich erwartete, mit ihm in einem Raum zusammenzusein, mich zu ihm hinüberzubeugen, ihm meine Bemerkungen ins Ohr zu flüstern und den Duft seiner Haut einzuatmen. Wenn derartige Momente die einzige Freude waren, die das Leben für mich bereithielt, hätte ich besser daran getan, diese einzige strahlende Lichtquelle auszublenden, damit sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnten. Vielleicht trifft es ja zu – jedenfalls scheint es mir heute so –, daß mein Leben Nobu entgegenfiel. Auf jeden Fall war ich nicht so töricht, den Lauf meines Schicksals ändern zu wollen. Aber genausowenig konnte ich den letzten Rest Hoffnung aufgeben.
»Ich habe erwogen, den Direktor mitzubringen«, antwortete Nobu. »Der Minister war sehr beeindruckt von ihm. Aber ich weiß nicht, Sayuri. Ich habe es dir schon einmal gesagt. Er ist ein vielbeschäftigter Mann.«
Der Minister auf den Matten zuckte zusammen, als hätte ihn jemand in die Rippen gestoßen, dann gelang es ihm, sich mühsam aufzurichten, bis er wieder bei uns am Tisch saß. Nobu fühlte sich so abgestoßen vom Anblick seiner Kleidung, daß er mich bat, eine Dienerin mit einem feuchten Handtuch zu holen. Nachdem die Dienerin das Jackett des Ministers gesäubert hatte und wieder hinausgegangen war, sagte Nobu:
»Nun, Minister, dies war wirklich ein großartiger Abend! Das nächstemal werden wir noch mehr Spaß haben, denn statt nur mir etwas vorzukotzen, werden Sie vielleicht sogar dem Direktor vorkotzen können, oder ein, zwei Geishas.«
Ich war hocherfreut, daß Nobu den Direktor erwähnte, wagte aber keine Reaktion zu zeigen.
»Ich mag die Geisha da«, erklärte der Minister. »Ich will keine andere.«
»Sie heißt Sayuri, und Sie sollten Sie lieber beim Namen nennen, sonst wird sie sicher nicht wiederkommen. Und jetzt stehen Sie auf, Minister! Es wird Zeit, Sie endlich nach Hause zu bringen.«
Ich begleitete die beiden bis zum Eingang, wo ich ihnen in Mäntel und Schuhe half, und beobachtete dann noch, wie sie in den Schnee hinausstapften. Der Minister war so unsicher, daß er direkt ins Tor gelaufen wäre, wenn Nobu ihn nicht beim Ellbogen gepackt und kraftvoll gesteuert hätte.
Später am selben Abend ging ich noch mit Mameha zu einer Party mit amerikanischen Offizieren. Als wir eintrafen, war der Dolmetscher schon nicht mehr einsatzfähig, weil sie ihn gezwungen hatten, zuviel zu trinken; die Offiziere aber schienen Mameha alle zu kennen. Erstaunt sah ich, daß sie auf einmal zu summen begannen und ihr mit wedelnden Armen zeigten, daß sie von ihr einen Tanz sehen wollten. Nun erwartete ich, daß wir alle still dasitzen und ihr zusehen würden, aber kaum hatte sie begonnen, da sprangen mehrere Offiziere auf und begannen neben ihr einherzustolzieren. Wenn Sie mir gesagt hätten, daß das geschehen würde, wäre mir zuvor schon ein wenig unbehaglich zumute gewesen, aber als ich das so unvorbereitet sah… Nun ja, ich prustete laut los und amüsierte mich mehr, als es mir seit langer Zeit möglich gewesen war. Schließlich spielten wir noch ein Spiel, bei dem Mameha und ich abwechselnd das Shamisen spielten, während die amerikanischen Offiziere um den Tisch tanzten. Jedesmal, wenn die Musik abbrach, mußten sie an ihre Plätze eilen. Wer sich als letzter hinsetzte, mußte zur Strafe ein Glas Sake trinken.
Während die Party weiterging, sagte ich zu Mameha, es sei doch seltsam, mit anzusehen, wie sehr sich alle amüsierten, ohne dieselbe Sprache zu sprechen, während ich vorher auf einer Party mit Nobu und einem anderen Japaner gewesen sei, die einfach schrecklich gewesen sei. Sie stellte mir einige Fragen über die Party.
»Drei Personen können oft zuwenig sein«, erklärte sie mir, nachdem ich ihr alles geschildert hatte.
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