Die Geisha - Memoirs of a Geisha
ironisch-überrascht emporgezogenen Brauen an. »Jedenfalls hat mir Sayuri von einem anderen Mann erzählt«, fuhr Kürbisköpfchen fort.
»Sato Noritaka, Kürbisköpfchen«, sagte der Direktor. »Er ist der stellvertretende Finanzminister.«
»Ach, den kenne ich! Der sieht aus wie ein fettes Schwein.«
Darüber mußten wir alle lachen. »Also wirklich, Kürbisköpfchen«, sagte Mameha, »die Ausdrücke, die du gebrauchst…«
In diesem Moment ging die Tür auf, und Nobu kam mit dem Minister herein, beide Herren rot von der Kälte. Nach ihnen kam eine Dienerin mit einem Tablett voll Sake und Snacks. Nobu stand da, preßte seinen Arm an den Körper und stampfte mit den Füßen, doch der Minister drängte sich unwirsch an ihm vorbei und kam an den Tisch. Er ließ einen Grunzer auf Kürbisköpfchen los und machte eine Kopfbewegung, die bedeutete, sie solle beiseite rücken, damit er sich neben mich setzen konnte. Alle wurden einander vorgestellt, dann sagte Kürbisköpfchen: »He, Minister, ich wette, Sie erinnern sich nicht mehr an mich, aber ich weiß’ne Menge über Sie.«
Ich hatte dem Minister inzwischen Sake eingeschenkt. Er nahm die Tasse, kippte sie sich in den Mund und blickte Kürbisköpfchen mit einer Miene an, die finster wirkte.
»Was weißt du denn?« erkundigte sich Mameha. »Erzähl uns davon!«
»Ich weiß, daß der Minister eine jüngere Schwester hat, die mit dem Bürgermeister von Tokyo verheiratet ist«, sagte Kürbisköpfchen. »Und ich weiß, daß er Karate gelernt und sich einmal dabei die Hand gebrochen hat.«
Der Minister schien leicht überrascht zu sein, woraus ich schloß, daß die Informationen zutreffend waren.
»Außerdem, Minister, kenne ich ein Mädchen, das Sie auch mal gekannt haben«, fuhr Kürbisköpfchen fort. »Nao Itsuko. Wir haben beide in einer Fabrik außerhalb von Osaka gearbeitet. Und wissen Sie, was die mir erzählt hat? Daß Sie mit ihr ein paarmal ›Sie-wissen-schon-was‹ gemacht haben.«
Ich fürchtete, der Minister würde zornig werden, doch sein Ausdruck wurde freundlicher, bis ich etwas zu erkennen glaubte, das wie ein Schimmer von Stolz wirkte. Er schüttete sich die letzten Tropfen Sake in den Mund und stellte die Tasse auf den Tisch.
»Sie war ein hübsches Ding, diese Itsuko«, sagte er und sah Nobu mit einem angedeuteten Lächeln an.
»Ja, Minister!« gab Nobu zurück. »Ich hätte nie gedacht, daß Sie so gut mit den Damen umgehen können!« Seine Worte klangen aufrichtig, aber ich nahm den kaum verhohlenen Anflug von Abscheu auf seinem Gesicht wahr. Der Blick des Direktors begegnete dem meinen. Er schien diesen Wortwechsel amüsant zu finden.
Kurz darauf wurde die Tür aufgeschoben, und drei Dienerinnen brachten das Abendessen für die Herren herein. Weil ich selbst auch ein wenig hungrig war, mußte ich mich von dem gelben Pudding mit Gingko-Nüssen abwenden, der in wunderschönen jadegrün glasierten Schälchen serviert wurde. Später brachten die Dienerinnen Platten mit gegrillten Tropenfischen auf einem Bett aus Kiefernnadeln. Nobu schien bemerkt zu haben, wie hungrig ich dreinblickte, denn er bestand darauf, daß ich davon kostete. Daraufhin bot der Direktor Mameha einen Bissen an, und anschließend Kürbisköpfchen, die dankend verzichtete.
»Nicht um alles in der Welt würde ich diesen Fisch anrühren«, erklärte Kürbisköpfchen. »Nicht einmal ansehen möchte ich ihn.«
»Was hast du dagegen?« erkundigte sich Mameha.
»Wenn ich es euch erzähle, lacht ihr mich nur aus.«
»Bitte erzähl, Kürbisköpfchen«, sagte Nobu.
»Warum sollte ich es euch erzählen? Es ist eine ewig lange Geschichte, und ihr würdet mir ja doch nicht glauben.«
»Lügner!« sagte ich.
Damit nannte ich Kürbisköpfchen nicht etwa wirklich eine Lügnerin. Bevor Gion geschlossen wurde, spielten wir gern ein Spiel namens »Lügner«, bei dem jeder zwei Geschichten erzählen mußte, von denen nur die eine wahr war. Anschließend mußten die anderen Spieler erraten, welche wahr war und welche nicht, und jene, die falsch geraten hatten, mußten zur Strafe ein Glas Sake trinken.
»Ich spiele nicht mit«, verkündete Kürbisköpfchen.
»Dann erzähl uns einfach die Fischgeschichte«, bat Mameha. »Eine andere brauchst du nicht zu erzählen.« Das schien Kürbisköpfchen nicht zu gefallen, doch nachdem Mameha und ich sie eine Weile finster angestarrt hatten, begann sie zu erzählen.
»Na schön. Sie geht so: Ich bin in Sapporo geboren, und da gab es einen alten
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