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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Golden
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Dunkel. Als ich sah, wie das gelbliche Licht aus Großmamas Zimmer auf meinen Futon fiel… Unwillkürlich fragte ich mich, ob meine Mutter noch lebte. Weil wir uns so ähnlich waren, war ich fest davon überzeugt, daß ich es gemerkt hätte, wenn sie gestorben wäre, aber natürlich hatte ich keinerlei Zeichen gespürt.
    Eines Nachts, als der Herbst schon kühler wurde, war ich gerade, an einen Pfosten gelehnt, eingeschlafen, als ich hörte, wie die Außentür aufgeschoben wurde. Da Hatsumomo höchst erzürnt gewesen wäre, wenn sie mich beim Schlafen ertappt hätte, gab ich mir die größte Mühe, hellwach zu wirken. Doch als die Innentür aufging, sah ich zu meinem Erstaunen einen Mann vor mir, der die in Hüfthöhe gebundene traditionelle weite Arbeiterjacke und dazu eine Bauernhose trug – obwohl er gar nicht aussah wie ein Arbeiter oder ein Bauer. Sein Haar war nach der neuesten Mode geölt und glatt zurückgekämmt, und er trug einen kurz getrimmten Bart, der ihm das Aussehen eines Intellektuellen verlieh. Er beugte sich vor, nahm meinen Kopf in beide Hände und sah mir aufmerksam ins Gesicht.
    »Hallo, du bist aber hübsch«, sagte er leise zu mir. »Wie heißt du?«
    Ich war sicher, daß er ein Arbeiter war, obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, warum er so spät in der Nacht hier auftauchte. Ich hatte Angst, ihm zu antworten, aber ich brachte meinen Namen heraus. Er befeuchtete eine Fingerspitze mit der Zunge und berührte damit meine Wange – wie sich herausstellte, um eine Wimper zu entfernen.
    »Ist Yoko noch da?« erkundigte er sich. Yoko war eine junge Frau, die täglich vom Nachmittag bis in die späten Abendstunden im Dienstbotenzimmer am Telefon saß. Zu jener Zeit waren die Okiyas und Teehäuser von Gion durch ein privates Telefonnetz miteinander verbunden, und Yoko war vollauf damit beschäftigt, Hatsumomos Engagements zu buchen, für Bankette oder Gesellschaften manchmal ein halbes bis ganzes Jahr im voraus. Da Hatsumomos Terminkalender nicht immer ganz ausgefüllt war, kamen am Abend häufig noch Anrufe von Teehäusern, deren Kunden den Wunsch hatten, daß sie bei ihnen vorbeikam. An diesem Abend jedoch hatte das Telefon nicht allzu häufig geklingelt, daher dachte ich, daß Yoko möglicherweise auch eingenickt sei. Der Mann wartete meine Antwort nicht ab, sondern bedeutete mir mit einer Geste, leise zu sein, und ging über den Hofkorridor zum Dienstbotenzimmer.
    Gleich darauf hörte ich, wie Yoko sich entschuldigte – sie war tatsächlich eingeschlafen –, und dann das Geräusch der Wählscheibe. Sie mußte mehrere Teehäuser anrufen, aber schließlich hatte sie Hatsumomo doch gefunden und bat, man möge ihr ausrichten, der Kabuki-Schauspieler Onoe Shikan sei in der Stadt. Damals wußte ich es noch nicht, aber es gab keinen Onoe Shikan – es war nichts weiter als ein Code.
    Danach verließ Yoko das Haus. Da sie sich keine Gedanken darüber zu machen schien, daß im Dienstbotenzimmer ein Mann wartete, beschloß ich, es niemand zu sagen. Wie sich herausstellte, war das richtig, denn als Hatsumomo zwanzig Minuten später erschien, blieb sie in der Eingangshalle stehen und sagte zu mir:
    »Bis jetzt habe ich noch keinen Versuch gemacht, dir das Leben zur Hölle zu machen. Aber wenn du jemals erwähnst, daß ein Mann hier war oder daß ich vor Ende des Abends zurückgekommen bin, wird sich das sehr schnell ändern.«
    Sie stand vor mir, als sie das sagte, und als sie in ihren Ärmel griff, um etwas herauszuholen, erkannte ich im matten Licht, daß ihre Unterarme gerötet waren. Sie ging ins Dienstbotenzimmer und schob die Tür hinter sich zu. Ich hörte einen gedämpften Wortwechsel, dann war es wieder still in der Okiya. Hin und wieder glaubte ich ein verhaltenes Wimmern oder Stöhnen zu hören, doch diese Laute waren so leise, daß ich mir nicht ganz sicher war. Ich will nicht sagen, daß ich wußte, was die beiden da drinnen trieben, aber ich dachte unwillkürlich an meine Schwester und wie sie für den Sugi-Jungen ihr Badekleid abgestreift hatte. Dabei empfand ich eine so heftige, mit Abscheu vermischte Neugier, daß ich mich nicht von der Stelle hätte rühren können, selbst wenn mir das erlaubt gewesen wäre.
    Hatsumomo und ihr Freund – der Koch eines nahe gelegenen Nudelrestaurants – kamen etwa einmal die Woche in die Okiya und verschwanden im Dienstbotenzimmer. Sie trafen sich auch anderswo. Das weiß ich, weil Yoko oft gebeten wurde, Nachrichten weiterzugeben und ich das

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