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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Golden
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Fingerspitzen weich und rieb es sich im Gesicht, am Hals und an der Brust in die Haut. Sie reinigte sich die Hände gründlich an einem Lappen; dann befeuchete sie einen ihrer flachen Pinsel in einem Gefäß mit Wasser und rührte damit in dem Make-up herum, bis eine kalkweiße Paste entstand. Damit bemalte sie sich Gesicht und Hals, ließ aber die Augen sowie die Umgebung von Mund und Nase frei. Wenn Sie einmal gesehen haben, wie ein Kind Löcher in Papier schneidet, um sich eine Maske zu machen, wissen Sie, wie Hatsumomo aussah, bis sie ein paar kleine Pinsel befeuchtete und damit die Löcher ausfüllte. Danach sah sie aus, als sei sie mit dem Gesicht voran in einen Kasten Reismehl gefallen, denn ihr ganzes Gesicht war gespenstisch weiß. Jetzt sah sie wirklich aus wie der Dämon, der sie war, und dennoch war ich krank vor Eifersucht und Scham. Denn ich wußte, daß dieses Gesicht in ungefähr einer Stunde bewundernd von Männern angestarrt werden würde, während ich noch immer verschwitzt und unscheinbar hier in der Okiya saß.
    Nun befeuchtete sie ihre Farbstifte und rieb sich damit ein leichtes Wangenrot in die Haut. Schon während meines ersten Monats in der Okiya hatte ich Hatsumomo oft fertig geschminkt gesehen und sie, wann immer es ging, ohne unhöflich zu wirken, verstohlen beobachtet. Wie ich bemerkt hatte, benutzte sie eine ganze Palette von Farben für ihre Wangen – je nach den Farben ihres Kimonos. Daran war nichts Außergewöhnliches. Jahre später erfuhr ich, daß Hatsumomo immer einen Rotton wählte, der ein wenig kräftiger war als der, den andere benutzt hätten. Warum sie das tat, kann ich nicht sagen, es sei denn, damit die Leute an Blut dachten. Aber Hatsumomo war nicht dumm; sie wußte, wie man die Schönheit ihrer Züge zur Wirkung bringen konnte.
    Nachdem sie das Rouge aufgelegt hatte, fehlten ihr noch Lippen und Augenbrauen, so daß ihr Gesicht einer grausigen weißen Maske glich. Dennoch bat sie Tantchen, ihr erst den Nacken zu bemalen. Falls Sie es noch nicht wissen, muß ich Ihnen hier etwas über den Stellenwert erzählen, den der Hals in Japan einnimmt: die japanischen Männer bringen dem Hals einer Frau die gleichen Gefühle entgegen wie die Männer im Westen ihren Beinen. Darum ziehen die Geishas den Kragen ihres Kimonos hinten so weit herunter, daß die ersten Wirbel des Rückgrats zu sehen sind; vermutlich ähneln sie darin einer Pariserin, die einen kurzen Rock anzieht. Tantchen malte Hatsumomo ein Muster auf den Nacken, das sanbon-ashi – Dreibein – genannt wird. Dieses Muster hat eine außerordentlich dramatische Wirkung, denn man hat das Gefühl, durch drei kleine, spitz zulaufende weiße Zaunlatten auf ihre nackte Haut zu blicken. Es hat Jahre gedauert, bis ich begriffen habe, wie erotisch das auf Männer wirkt. Es erinnert ein bißchen an eine Frau, die durch die gespreizten Finger ihrer Hand lugt. Eine Geisha läßt auch grundsätzlich rings um ihren Haaransatz einen schmalen Hautstreifen ungeschminkt, so daß ihr Make-up noch künstlicher, noch mehr wie eine Maske aus dem No-Theater wirkt. Und wenn ein Mann neben ihr sitzt und ihr maskenhaftes Make-up betrachtet, wird er sich um so stärker der nackten Haut darunter bewußt.
    Während Hatsumomo ihre Pinsel auswusch, starrte sie mehrmals auf mein Gesicht im Spiegel. Schließlich sagte sie zu mir:
    »Ich weiß, was du denkst. Du denkst, daß du niemals so schön aussehen wirst wie ich. Und weißt du was? Du hast recht.«
    »Ich muß dir sagen«, warf Tantchen ein, »daß manche Leute Chiyo-chan sehr hübsch finden.«
    »Manche Leute mögen auch den Gestank von fauligem Fisch«, sagte Hatsumomo. Dann befahl sie uns, das Zimmer zu verlassen, damit sie ihr Untergewand anlegen konnte.
    Tantchen trat auf den Flur hinaus, wo Herr Bekku neben dem hohen Spiegel stand und genauso aussah wie an dem Tag, als er Satsu und mich aus unserem Zuhause geholt hatte. Wie ich während meiner ersten Woche in der Okiya erfuhr, war es gar nicht sein eigentlicher Beruf, junge Mädchen aus ihrem Zuhause zu reißen, sondern er war Ankleider, das heißt, er kam täglich in die Okiya, um Hatsumomo beim Anlegen ihrer reich geschmückten Kimonos zu helfen.
    Der Kimono, den Hatsumomo an jenem Abend tragen sollte, hing neben dem Spiegel auf einem Ständer. Tantchen stand davor und strich ihn glatt, bis Hatsumomo in einem Untergewand von wunderschönem Rostrot mit einem sattgelben Blattmuster herauskam. Was dann geschah, begriff ich damals noch nicht

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