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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Golden
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Tuschestift sowie einen Kalligraphiepinsel geholt. Ich dachte, vielleicht wolle sie eine Nachricht schreiben und sie in den Kimono stecken, wenn sie ihn wieder zusammenlegte. Sie hatte ein bißchen Wasser aus dem Brunnen auf ihren Tuschestein tropfen lassen und saß nun auf der Veranda, um die Tusche anzurühren. Als sie schwarz genug war, tauchte sie den Pinsel hinein, bis er die Tusche aufgesogen hatte und nicht mehr tropfte. Dann drückte sie ihn mir in die Hand, führte meine Hand über den schönen Kimono und befahl mir:
    »Jetzt wirst du dich in Schönschrift üben, Chiyo.«
    Der Kimono, der einer Geisha namens Mameha gehörte – von der ich damals noch nie etwas gehört hatte –, war ein Kunstwerk. Die Weinrebe, die sich vom Saum bis zur Taille wand, bestand aus stark lackierten Fäden, die wie ein winziges Kabel zusammengefaßt worden waren. Die Ranke war Bestandteil des Stoffes, aber sie wirkte so echt, daß ich meinte, sie mit den Fingern greifen und wie ein Kraut aus dem Boden ziehen zu können. Die Blätter, die an der Ranke hingen, schienen im Herbstwetter zu verblassen und zu trocknen und sogar einen gelblichen Schimmer anzunehmen.
    »Das kann ich nicht, Hatsumomo-san!« rief ich aus.
    »Wie schade, kleine Süße«, sagte ihre Freundin zu mir. »Wenn Hatsumomo es dir noch mal sagen muß, hast du keine Chance mehr, deine Schwester zu finden.«
    »Halt den Mund, Korin! Chiyo weiß, daß sie tun muß, was ich ihr befehle. Und jetzt schreib was auf den Stoff, Dummkopf! Egal was.«
    Als der Pinsel den Kimono zum erstenmal berührte, war Korin so aufgeregt, daß sie einen Quietscher ausstieß, von dem eine der älteren Dienerinnen aufwachte. Mit einem Tuch um den Kopf beugte sie sich in ihrem sackartigen Nachtgewand weit in den Hofkorridor hinaus. Hatsumomo stampfte mit dem Fuß auf und tat, als wollte sie sie wie eine Katze anspringen, was die Dienerin sofort auf ihren Futon zurückscheuchte. Korin war nicht sehr glücklich über die paar unsicheren Pinselstriche, die ich auf die zartgrüne Seide getupft hatte, also zeigte Hatsumomo mir, wo ich den Stoff beschreiben und was für Schriftzeichen ich malen sollte. Sie ergaben keinen Sinn – Hatsumomo versuchte sich nur als Künstlerin. Schließlich hüllte sie den Kimono in sein Leinenpapier und verschnürte das Paket. Mit Korin kehrte sie zum Vordereingang zurück, wo die beiden wieder in ihre Lackzoris schlüpften. Während sie die Tür zur Straße aufschob, befahl sie mir, ihr zu folgen.
    »Aber ich darf die Okiya ohne Erlaubnis nicht verlassen, Hatsumomo-san. Mutter wird sehr böse werden, und…«
    »Ich gebe dir die Erlaubnis«, fiel Hatsumomo mir ins Wort. »Wir müssen doch den Kimono zurückbringen, oder? Hoffentlich hast du nicht vor, mich warten zu lassen.«
    Ich konnte nichts anderes tun, als in meine Schuhe zu schlüpfen und ihr durch die Gasse zu einer Straße zu folgen, die an dem schmalen Shirakawa-Bach entlangführte. In jenen Tagen waren die Straßen und Gassen von Gion noch wunderschön gepflastert. Etwa einen Block weit gingen wir im Mondschein an den Kirschbäumen vorbei, die sich über das schwarze Wasser neigten, und überquerten schließlich eine Holzbrücke, die in einen Teil Gions führte, der mir noch völlig unbekannt war. Das Bachufer war mit Steinen befestigt, von denen die meisten mit Moos bedeckt waren. Darüber erhoben sich die Rückseiten der Teehäuser und Okiyas wie eine Mauer. Binsenschirme vor den Fenstern schnitten das gelbe Licht in hauchdünne Streifen, die mich daran erinnerten, was die Köchin vor ein paar Stunden mit einem eingelegten Rettich getan hatte. Ich hörte Lachen, das von einer Gruppe Männer und Geishas kam. In einem der Teehäuser mußte etwas sehr Komisches vor sich gehen, denn das Gelächter wurde immer lauter, ehe es allmählich erstarb und nur noch der näselnde Klang eines Shamisen von einer anderen Gesellschaft zu hören war. In diesem Moment konnte ich mir vorstellen, daß Gion für manche Leute ein wahrhaft fröhlicher Ort sein mußte. Und unwillkürlich fragte ich mich, ob Satsu an einer dieser Geselligkeiten teilnahm, obwohl Awajiumi mir erklärt hatte, daß sie überhaupt nicht in Gion sei.
    Kurz darauf machten Hatsumomo und Korin vor einer Holztür halt.
    »Du wirst jetzt diesen Kimono nehmen, die Treppe hinaufgehen und ihn der Dienerin dort geben«, befahl Hatsumomo. »Und falls Fräulein Perfekt persönlich die Tür aufmachen sollte, wirst du ihn ihr selbst überreichen. Dabei sagst du

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