Die Geisha - Memoirs of a Geisha
Flur herausgehinkt gekommen und rief laut: »Matte imashita!« Ich verstand sie vollkommen – sie sagte: »Darauf habe ich gewartet!«–, aber ich hatte keine Ahnung, was sie damit meinte. Tatsächlich war es eine kluge Beobachtung, denn genau das rufen die Zuschauer zuweilen beim Auftritt eines großen Stars in einem Kabuki-Schauspiel.
»Tantchen«, sagte Hatsumomo, »wollen Sie damit etwa andeuten, ich hätte etwas damit zu tun, daß dieser Kimono ruiniert wurde?« fragte Hatsumomo. »Warum sollte ich wohl so etwas tun?«
»Weil jeder weiß, daß du Mameha haßt«, gab Tantchen zurück. »Weil du jede Geisha haßt, die erfolgreicher ist als du.«
»Soll das heißen, daß ich Sie heiß und innig lieben müßte, Tantchen, weil Sie eine solche Versagerin sind?«
»Schluß damit!« befahl Mutter. »Jetzt hör mir mal gut zu, Hatsumomo. Du hältst uns hoffentlich nicht für so hohlköpfig, daß wir dir deine Geschichte abnehmen! So ein Benehmen dulde ich nicht in meiner Okiya, nicht mal von dir. Ich habe großen Respekt vor Mameha. Ich will, daß so etwas nicht wieder vorkommt. Und was diesen Kimono betrifft, nun, jemand muß ihn bezahlen. Ich weiß nicht, was letzte Nacht geschehen ist, aber es gibt wohl keinerlei Zweifel, wer den Pinsel gehalten hat. Die Dienerin hat genau gesehen, daß es die Kleine war. Also wird die Kleine bezahlen«, sagte Mutter und steckte sich die Pfeife wieder in den Mund.
Jetzt kam Großmama aus dem Empfangssalon und befahl einer Dienerin, den Bambusstock zu holen.
»Chiyo hat schon genug Schulden«, widersprach Tantchen. »Ich sehe nicht ein, daß sie Hatsumomos auch noch bezahlen soll.«
»Jetzt haben wir genug darüber geredet«, sagte Großmama. »Das Mädchen bekommt eine Tracht Prügel und zahlt den Kimono. Und damit Schluß. Wo ist der Bambusstock?«
»Ich werde die Bestrafung selbst übernehmen«, sagte Tantchen. »Ich will nicht, daß du wieder Gelenkentzündung bekommst, Großmama. Komm mit, Chiyo.«
Tantchen wartete, bis das Dienstmädchen den Stock gebracht hatte, dann führte sie mich in den Innenhof. Sie war so zornig, daß ihre Nasenflügel gebläht und ihre Augen zusammengekniffen waren. Seit ich in der Okiya war, hatte ich mich davor gehütet, irgend etwas zu tun, was mir eine Tracht Prügel einbringen konnte. Jetzt wurde mir auf einmal ganz heiß, und die Trittsteine zu meinen Füßen verschwammen mir vor den Augen. Statt mich zu schlagen, lehnte Tantchen den Stock jedoch ans Lagerhaus und hinkte dann zu mir herüber, um sehr leise zu mir zu sagen:
»Was hast du Hatsumomo nur angetan? Sie ist fest entschlossen, dich zu vernichten. Dafür muß es einen Grund geben, und ich will wissen, was das ist.«
»Sie hat mich von Anfang an so behandelt, das schwöre ich Ihnen, Tantchen. Ich weiß nicht, was ich ihr getan haben soll.«
»Großmama mag Hatsumomo ja als dumm bezeichnen, aber glaube mir, Hatsumomo ist nicht dumm. Wenn sie deine Karriere unbedingt zerstören will, schafft sie das auch. Was immer es war, womit du sie erzürnt hast, du mußt unverzüglich damit aufhören!«
»Ich schwöre Ihnen, ich habe ihr nichts getan, Tantchen!«
»Du darfst ihr keinen Moment vertrauen, nicht mal, wenn sie dir helfen will. Sie hat dich schon jetzt so sehr mit Schulden beladen, daß du es möglicherweise nie schaffen wirst, sie abzuzahlen.«
»Das verstehe ich nicht…«, stammelte ich. »Was meinen Sie – Schulden?«
»Hatsumomos kleiner Streich mit dem Kimono wird dich mehr Geld kosten, als du dir je vorstellen kannst. Das meine ich.«
»Aber… wie soll ich das zurückzahlen?«
»Sobald du als Geisha zu arbeiten beginnst, wirst du es der Okiya zurückzahlen – zusammen mit allen anderen Beträgen, die du ihr für deine Mahlzeiten und Unterrichtsstunden schuldest, und für den Fall, daß du krank werden solltest, zusätzlich das Geld für den Arzt. Das mußt du alles selbst bezahlen. Was glaubst du, warum Mutter ständig in ihrem Zimmer sitzt und Zahlen in diese kleinen Bücher schreibt? Sogar das Geld, das die Okiya ausgegeben hat, um dich zu kaufen, bist du ihr schuldig.«
Während der Monate, die ich in Gion verbrachte, hatte ich mir natürlich gedacht, daß Geld den Besitzer gewechselt haben mußte, bevor Satsu und ich von zu Hause weggeholt worden waren. Immer wieder dachte ich an das Gespräch zwischen Herrn Tanaka und meinem Vater, das ich belauscht hatte, und an das, was die Zappelfrau über Satsu und mich gesagt hatte: daß wir »geeignet« seien. Voller
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