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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Golden
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nur der Weg, der zum Eingang führte. Er war von exquisiter Schönheit – wie es ja wohl auch angebracht war, denn obwohl ich es nicht wußte, sah ich eins der exklusivsten Teehäuser von ganz Japan. Und ein Teehaus ist nicht zum Teetrinken da, sondern die Männer gehen dorthin, um sich von Geishas unterhalten zu lassen.
    Kaum hatte ich den Eingang betreten, da wurde vor mir die Tür aufgeschoben. Eine junge Dienerin kniete auf der erhöhten Plattform dahinter und blickte auf mich herab; anscheinend hatte sie meine Holzschuhe auf den Steinen gehört. Sie trug einen dunkelblauen Kimono mit einem dezenten grauen Muster. Ein Jahr zuvor hätte ich sie für die junge Herrin dieses außerordentlich schönen Etablissements gehalten, nach so vielen Monaten in Gion jedoch erkannte ich sofort, daß ihr Kimono zwar weitaus schöner war als irgend etwas in Yoroido, aber dennoch zu schlicht für eine Geisha oder die Herrin eines Teehauses. Und ihre Frisur war natürlich ebenso schlicht. Dennoch war sie weit eleganter als ich und blickte verächtlich auf mich herab.
    »Geh nach hinten«, sagte sie.
    »Hatsumomo hat gebeten, daß…«
    »Geh nach hinten!« wiederholte sie und schob die Tür zu, ohne auf eine Antwort zu warten.
    Da es inzwischen heftiger regnete, trabte ich eilig eine schmale Gasse neben dem Teehaus entlang. Als ich ankam, wurde die Hintertür aufgeschoben, und dort erwartete mich kniend die Dienerin von vorhin. Sie sagte kein Wort, sondern nahm mir schweigend den Shamisen-Kasten aus den Armen.
    »Fräulein«, sagte ich, »darf ich eine Frage stellen? Können Sie mir sagen, wo ich das Miyagawa-cho-Viertel finde?«
    »Was willst du denn da?«
    »Ich muß etwas abholen.«
    Sie musterte mich mit einem merkwürdigen Blick, sagte mir dann, ich solle am Fluß entlanggehen, bis ich am Minami-za-Theater vorbeigekommen sei. Dort beginne das Miyagawa-cho-Viertel.
    Ich beschloß, unter dem Vordach des Teehauses zu warten, bis es aufgehört hatte zu regnen. Als ich mich ein wenig umsah, entdeckte ich einen Gebäudeflügel, der zwischen den Zaunlatten hindurch zu sehen war. Ich preßte ein Auge an den Zaun und sah durch einen wunderschönen Garten bis zu einem Glasfenster. Dahinter saß in einem bezaubernden, ganz in orangerotes Licht gebadeten Tatami-Zimmer eine Gruppe von Männern und Geishas um einen Tisch voller Saketassen und Biergläser. Auch Hatsumomo sah ich dort sowie einen triefäugigen alten Mann, der eine Geschichte zu erzählen schien. Hatsumomo amüsierte sich über irgend etwas, offensichtlich jedoch nicht über das, was der Alte sagte. Immer wieder sah sie zu einer anderen Geisha hinüber, die mir den Rücken zukehrte. Unwillkürlich dachte ich an das letztemal, da ich in ein Teehaus hineingespäht hatte – mit Herrn Tanakas kleiner Tochter Komako –, und plötzlich stieg jenes Gefühl von Schwere in mir auf, das ich vor so langer Zeit an den Gräbern der ersten Familie meines Vaters empfunden hatte – als zöge mich die Erde zu sich hinab. Ein ganz bestimmter Gedanke ging mir im Kopf herum, bis ich ihn nicht mehr ignorieren konnte. Ich wollte ihn abwehren, aber es gelang mir ebensowenig, diesen Gedanken loszuwerden, wie es dem Wind gelingen kann, nicht mehr zu blasen. Also trat ich zurück, sank mit dem Rücken zur Tür auf die steinerne Eingangsstufe und begann zu weinen. Ich konnte nicht aufhören, an Herrn Tanaka zu denken. Er hatte mich von meinen Eltern getrennt, mich in die Sklaverei verkauft und meine Schwester in etwas weit Schlimmeres. Ich hatte ihn für einen freundlichen Menschen gehalten. Ich hatte gedacht, er sei so vornehm, so weltläufig. Was für ein dummes Kind ich doch gewesen war! Ich beschloß, nie wieder nach Yoroido zurückzukehren. Und wenn doch, dann nur, um Herrn Tanaka zu sagen, wie sehr ich ihn haßte.
    Als ich schließlich wieder aufstand und mir mit meinem nassen Gewand die Augen wischte, hatte der Regen nachgelassen. In der Luft hing nur noch ein feiner Sprühnebel. Die Pflastersteine der Gasse funkelten im Licht der Laternen wie Gold. Ich kehrte zum Minami-za-Theater mit seinem riesigen Ziegeldach zurück, das mich am ersten Tag, als Herr Bekku Satsu und mich vom Bahnhof hierherbrachte, an einen Palast erinnert hatte. Die Dienerin im Mizuki-Teehaus hatte mir gesagt, ich solle bis hinter das Theater am Fluß entlanggehen, aber der Weg am Fluß hörte am Theater auf. Also folgte ich statt dessen der Straße hinter dem Minami-za. Nach einigen Blocks befand ich mich in einer

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