Die Geisha - Memoirs of a Geisha
Entsetzen fragte ich mich, ob Herr Tanaka an unserem Verkauf auch verdient hatte und wieviel wir gekostet hatten. Doch niemals hätte ich mir vorstellen können, daß ich dieses Geld selbst zurückzahlen mußte!
»Du wirst es erst zurückzahlen können, wenn du schon sehr lange als Geisha gearbeitet hast«, fuhr sie fort. »Und wenn du als Geisha scheiterst wie ich, wirst du es niemals zurückzahlen können. Möchtest du so enden?«
In diesem Moment war mir meine Zukunft völlig gleichgültig.
»Wenn du dein Leben in Gion ruinieren willst, stehen dir mindestens ein Dutzend Möglichkeiten zur Verfügung«, fuhr Tantchen fort. »Du könntest versuchen wegzulaufen. Wenn du das getan hast, wird Mutter dich als schlechte Investition abschreiben – sie wird kein Geld in ein Mädchen stecken, das jederzeit verschwinden kann. Das würde das Ende deines Unterrichts bedeuten, und ohne Ausbildung kannst du keine Geisha werden. Oder du kannst dich bei deinen Lehrerinnen so unbeliebt machen, daß sie sich weigern, dir die Hilfe angedeihen zu lassen, die du brauchst. Oder du kannst wie ich eine häßliche Frau werden. Als Großmama mich meinen Eltern abkaufte, war ich gar kein so unattraktives Mädchen, aber ich entwickelte mich nicht gut, und dafür haßte mich Großmama. Einmal verprügelte sie mich wegen einer Kleinigkeit so schwer, daß ich mir die Hüfte brach. Damit war ich als Geisha am Ende. Und deswegen verprügele ich dich lieber selbst – ich will nicht, daß Großmama dich in die Finger bekommt.«
Sie führte mich zum Verandagang und befahl mir, mich dort auf den Bauch zu legen. Es war mir fast schon gleichgültig, ob sie mich schlug oder nicht; ich hatte den Eindruck, daß sich meine Lage nicht mehr verschlimmern könnte. Jedesmal, wenn mein Körper sich unter dem Stock aufbäumte, jammerte ich, so laut ich es nur wagte, und stellte mir vor, daß Hatsumomos schönes Gesicht auf mich herablächelte. Als die Prügelstrafe beendet war, ließ Tantchen mich weinend dort liegen. Kurz darauf spürte ich, daß der Verandagang unter den Schritten einer anderen Person zitterte, und als ich mich aufrichtete, stand Hatsumomo vor mir.
»Chiyo, ich wäre dir unendlich dankbar, wenn du die Güte hättest, mir aus dem Weg zu gehen.«
»Sie haben versprochen, mir zu sagen, wo meine Schwester ist, Hatsumomo-san«, gab ich zurück.
»Gewiß, das habe ich.« Sie beugte sich so weit herab, daß ihr Gesicht dicht vor dem meinen war. Ich dachte schon, sie würde mir sagen, ich hätte noch nicht genug dafür getan und sobald ihr einfalle, was ich noch für sie tun könnte, werde sie es mir mitteilen. Aber das war nicht der Fall.
»Deine Schwester ist in einer jorou-ya namens Tatsuyo«, informierte sie mich. »Im Viertel Miyagawa-cho, unmittelbar südlich von Gion.«
Nachdem sie das gesagt hatte, versetzte sie mir mit dem Fuß einen kleinen Stoß, und ich machte ihr hastig den Weg frei.
7. KAPITEL
Das Wort jorou-ya hatte ich noch nie gehört, deshalb stellte ich Tantchen, als sie am folgenden Abend ein Nähtablett auf den Boden der Eingangshalle fallen ließ und mich bat, ihr aufräumen zu helfen, neugierig die Frage:
»Was ist eine jorou-ya, Tantchen?«
Tantchen antwortete nicht, sondern fuhr fort, eine Garnspule aufzuwickeln.
»Tantchen?« begann ich abermals.
»Das ist die Sorte Haus, wo Hatsumomo enden wird, wenn sie das kriegt, was sie verdient«, antwortete sie.
Da sie anscheinend nicht mehr sagen wollte, blieb mir nichts anderes übrig, als es dabei zu belassen.
Meine Frage war zwar nicht beantwortet worden, doch irgendwie hatte ich das Gefühl, daß Satsu sogar noch mehr leiden mußte als ich. Also begann ich darüber nachzudenken, wie ich mich bei der nächstmöglichen Gelegenheit zu dieser jorou-ya namens Tatsuyo stehlen konnte. Leider gehörte zu den Strafen, die mir auferlegt wurden, weil ich Mamehas Kimono ruiniert hatte, ein fünfzigtägiger Hausarrest in der Okiya. Die Schule durfte ich besuchen, solange Kürbisköpfchen mich begleitete, Botengänge durfte ich nicht unternehmen. Vermutlich hätte ich einfach zur Tür hinauslaufen können, wenn ich gewollt hätte, aber ich war klug genug, auf etwas so Törichtes zu verzichten. Denn erstens wußte ich nicht genau, wo ich diese Tatsuyo suchen sollte. Und zweitens – noch schlimmer – würde Herr Bekku oder jemand anders im selben Moment, da man meine Abwesenheit entdeckte, auf die Suche nach mir geschickt werden. Vor wenigen Monaten erst war aus der Okiya
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