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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Golden
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Mädchen an«, sagte sie zu der Frau auf der anderen Straßenseite. »Sieht die vielleicht wie eine kleine Schwester von Yukiyo aus? Wenn Yukiyo so hübsch wäre wie die hier, wären wir das beliebteste Haus der ganzen Stadt! Du bist eine Lügnerin, das bist du!« Damit schickte sie mich mit einem kleinen Stoß wieder auf die Gasse hinaus.
    Ich muß zugeben, daß ich Angst hatte. Aber meine Entschlossenheit war stärker als meine Angst. Und nachdem ich bis hierher gekommen war, dachte ich nicht daran, einfach zu gehen, nur weil diese Frau mir nicht glaubte. Also machte ich kehrt, verneigte mich vor ihr und sagte: »Wenn ich den Eindruck erwecke, eine Lügnerin zu sein, so entschuldige ich mich dafür, Herrin. Aber das bin ich nicht. Yukiyo ist meine Schwester. Und wenn Sie so freundlich wären, ihr zu sagen, daß Chiyo hier ist, wird Sie Ihnen bezahlen, was Sie verlangen.«
    Offenbar hatte ich damit das Richtige gesagt, denn endlich wandte sie sich an die jüngere Frau auf der anderen Straßenseite. »Geh du für mich hinauf. Du hast heute abend nichts zu tun. Außerdem macht mir mein Hals zu schaffen. Ich werde hierbleiben und die Kleine im Auge behalten.«
    Die Jüngere erhob sich von ihrem Hocker, überquerte die Gasse und betrat das Tatsuyo. Ich hörte, wie sie drinnen die Treppe hinaufstieg. Schließlich kam sie wieder zurück und sagte:
    »Yukiyo hat einen Kunden. Sobald er fertig ist, wird man ihr sagen, daß sie runterkommen soll.«
    Die Alte schickte mich auf die andere Seite der Tür, wo ich mich in den Schatten hinkauern sollte, weil man mich dort nicht sehen konnte. Ich weiß nicht, wie lange ich dort hockte, aber die Sorge, jemand in der Okiya könnte entdecken, daß ich nicht da war, wuchs von Minute zu Minute. Ich hatte zwar einen Grund, die Okiya zu verlassen, obwohl Mutter trotzdem zornig auf mich sein würde, doch ich hatte keinerlei Vorwand, so lange wegzubleiben. Schließlich kam ein Mann heraus, der mit einem Zahnstocher in seinen Zähnen herumstocherte. Die Alte erhob sich, um sich zu verneigen, und dankte ihm für seinen Besuch. Und dann hörte ich den schönsten Laut, den ich gehört hatte, seit ich nach Kyoto gekommen war.
    »Sie wollten mich sprechen, Herrin?«
    Es war Satsus Stimme.
    Ich sprang auf und stürzte auf sie zu. Sie stand in der Türöffnung, und ihre Haut wirkte fahl, fast grau – möglicherweise nur, weil sie einen Kimono in grellen Gelb- und Rottönen trug. Die Lippen hatte sie sich mit einem knalligen Lippenstift bemalt, wie Mutter ihn trug. Sie war damit beschäftigt, ihren Gürtel vorn zu binden, wie die Frauen, die ich auf dem Weg hierher gesehen hatte. Ich war so erleichtert, sie zu sehen, und so erregt, daß ich es mir kaum verkneifen konnte, mich in ihre Arme zu werfen. Und auch Satsu stieß einen Schrei aus und bedeckte ihren Mund mit der Hand.
    »Die Herrin wird zornig auf mich sein«, sagte die Alte.
    »Ich bin sofort wieder da«, erklärte Satsu und verschwand wieder im Tatsuyo. Einen Augenblick später war sie zurück und ließ mehrere Münzen in die geöffnete Hand der Alten fallen, die ihr sagte, sie dürfe mit mir das Reservezimmer im Erdgeschoß benutzen.
    »Und wenn du mich husten hörst«, ergänzte sie, »bedeutet das, daß die Herrin kommt. Also beeilt euch!«
    Ich folgte Satsu in den düsteren Eingang des Tatsuyo. Das Licht dort war eher bräunlich als gelb, und es roch überall nach Schweiß. Unter der Treppe befand sich eine Schiebetür, die aus den Schienen gefallen war. Satsu zerrte an ihr, bis sie offen war, und mit einiger Mühe gelang es ihr auch, sie hinter uns wieder zu schließen. Wir standen in einem winzigen Tatami-Zimmer, dessen einziges Fenster mit Papier bespannt war. Das Licht von draußen genügte mir, Satsus Gestalt zu erkennen, nicht aber ihre Züge.
    »Ach, Chiyo«, seufzte sie und kratzte sich das Gesicht. Oder wenigstens dachte ich, daß sie sich das Gesicht kratzte, denn ich konnte nicht gut sehen. Es dauerte einen Moment, bis ich merkte, daß sie weinte. Da konnte ich meine Tränen auch nicht mehr zurückhalten.
    »Es tut mir ja so leid, Satsu!« sagte ich. »Es ist alles meine Schuld.«
    Irgendwie stolperten wir in der Dunkelheit aufeinander zu, bis wir uns in den Armen hielten. Wie ich mich erinnere, war mein einziger Gedanke, daß sie furchtbar knochig geworden war. Sie strich mir über die Haare, was mich sofort an meine Mutter erinnerte, so daß ich noch mehr weinen mußte.
    »Still, Chiyo-chan«, flüsterte sie mir, das

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