Die Geisha - Memoirs of a Geisha
gelegenes Krankenhaus. Als ich mit Gipsarm in die Okiya zurückgebracht wurde, war es bereits Spätnachmittag. Ich litt immer noch schreckliche Schmerzen, aber Mutter rief mich sofort zu sich ins Zimmer. Lange saß sie schweigend dort, starrte mich an, tätschelte Taku mit der einen Hand und hielt mit der anderen die Pfeife in ihrem Mund fest.
»Weißt du, wieviel ich für dich bezahlt habe?« fragte sie mich schließlich.
»Nein, Herrin«, antwortete ich, »aber Sie werden mir sicher gleich sagen, daß Sie mehr bezahlt haben, als ich wert bin.«
Ich will nicht behaupten, daß das eine sonderlich höfliche Antwort war. Ja, ich dachte sogar, Mutter würde mich dafür ohrfeigen, aber das war mir inzwischen gleichgültig. Ich hatte das Gefühl, daß nichts in meiner Welt je wieder in Ordnung kommen würde. Mutter biß die Zähne zusammen und stieß ihr seltsames Lachen aus, das eher wie Husten klang.
»Da hast du recht«, sagte sie. »Ein halber Yen wäre mehr gewesen, als du wert bist. Nun, ich hatte den Eindruck, du wärst klug. Aber du bist nicht klug genug, um zu wissen, was gut für dich ist.«
Eine Zeitlang fuhr sie fort, ihre Pfeife zu paffen. Dann sagte sie: »Ich habe fünfundsiebzig Yen für dich bezahlt, soviel. Und dafür hast du einen Kimono ruiniert, eine Brosche gestohlen und dir jetzt noch den Arm gebrochen, so daß ich deinem Schuldenkonto auch noch die Arztkosten hinzufügen muß. Dazu kommen deine Mahlzeiten und Unterrichtsstunden, und heute morgen hörte ich von der Herrin des Tatsuyo drüben in Miyagawa-cho, daß deine ältere Schwester davongelaufen ist. Die Herrin dort hat mir immer noch nicht bezahlt, was sie mir schuldet. Und jetzt erklärt sie mir, daß sie das auch nicht tun wird! Ich werde das also ebenfalls zu deinen Schulden schreiben, aber was kann das schon nützen? Du schuldest mir jetzt schon mehr, als du zurückzahlen kannst.«
Satsu war also entkommen. Das hatte ich mich schon den ganzen Tag gefragt, nun wußte ich Bescheid. Ich wollte mich für sie freuen, aber es gelang mir nicht.
»Nach zehn, fünfzehn Jahren als Geisha könntest du es möglicherweise zurückzahlen«, fuhr sie fort. »Falls du Erfolg haben solltest. Aber wer würde noch einen weiteren Sen in ein Mädchen investieren, das davonläuft?«
Da ich nicht wußte, was ich darauf antworten sollte, sagte ich, es tue mir leid. Bis dahin hatte Mutter noch ziemlich freundlich mit mir gesprochen, nach meiner Entschuldigung jedoch legte sie die Pfeife auf den Tisch und reckte das Kinn – aus Zorn, vermutlich – so weit vor, daß sie aussah, als wäre sie ein Tier, das zubeißen wollte.
»So, so, leid tut es dir! Es war eine Dummheit von mir, überhaupt soviel Geld in dich zu investieren. Du bist vermutlich die teuerste Dienerin von ganz Gion! Wenn ich deine Knochen verkaufen könnte, um ein wenig von deinen Schulden zurückzuerhalten, würde ich sie dir hier und jetzt aus dem Leib reißen!«
Damit befahl sie mir, das Zimmer zu verlassen, und schob sich die Pfeife wieder in den Mund.
Meine Unterlippe zitterte, als ich hinausging, aber ich kämpfte meine Gefühle nieder, denn oben im Flur stand Hatsumomo. Herr Bekku wartete, um ihr den Obi binden zu können, während Tantchen mit einem Taschentuch in der Hand vor Hatsumomo stand und ihr angestrengt in die Augen spähte.
»Alles verwischt«, erklärte Tantchen. »Nichts mehr zu retten. Du wirst dich ausweinen und dein Make-up dann neu auftragen müssen.«
Ich wußte genau, warum Hatsumomo weinte. Nachdem sie ihn nicht mehr in die Okiya mitbringen konnte, hatte ihr Freund sie fallenlassen. Das hatte ich am Morgen zuvor erfahren, und ich war überzeugt, daß Hatsumomo mir die Schuld daran geben würde. Ich versuchte, die Treppe hinabzulaufen, bevor sie mich entdeckte, aber es war bereits zu spät. Sie riß Tantchen das Taschentuch aus der Hand und befahl mich mit einer Handbewegung zu sich. Ich hatte nicht die geringste Lust dazu, konnte mich aber leider nicht weigern.
»Du hast nichts mit Chiyo zu schaffen«, warnte Tantchen sie. »Geh in dein Zimmer und schminke dich fertig.«
Hatsumomo antwortete nicht, sondern zog mich in ihr Zimmer und schob die Tür hinter uns zu.
»Tagelang habe ich überlegt, wie ich dein Leben ruinieren könnte«, sagte sie zu mir. »Aber nun hast du versucht zu fliehen, das hat mir die Mühe abgenommen! Ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen soll. Es hätte mir Spaß gemacht, es selbst zu tun.«
Es war natürlich sehr unhöflich von
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