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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Golden
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ich mich wieder daraus hervorgekämpft hatte, war ich so wütend, daß ich meine Zähne am liebsten in ein Stück Holz geschlagen hätte. Wenn ein paar Minuten voller Qual mich so wütend gemacht hatten – was würden viele Jahre dann bewirken? Selbst ein Stein kann von stetem Regen ausgehöhlt werden.
    Hätte mein Entschluß, wegzulaufen, nicht schon festgestanden – der Gedanke an das Leid, das mich in Gion vermutlich erwartete, hätte mich wohl in Angst und Schrecken versetzt. Mit Sicherheit würde es aus mir eine Frau wie Großmama machen. Aber ich tröstete mich mit dem Gedanken, daß ich vom nächsten Tag an beginnen konnte, selbst meine Erinnerungen an Gion zu tilgen. Wie ich aufs Dach gelangen sollte, wußte ich schon; was jedoch die Kletterpartie von dort bis zur Straße hinunter betraf… nun ja, da war ich mir überhaupt nicht sicher. Es würde mir wohl nichts anderes übrigbleiben, als es im Dunkeln auf mich zukommen zu lassen. Doch selbst wenn ich es wohlbehalten bis unten schaffte, würden meine Probleme dann erst beginnen. Wie mühsam das Leben in Gion auch war, das Leben nach der Flucht würde bestimmt noch viel mühseliger werden. Die Welt war einfach zu grausam – wie sollte ich da überleben? Angsterfüllt blieb ich eine Weile auf meinem Futon liegen und fragte mich, ob ich wirklich die Kraft besaß, meinen Plan auszuführen… Aber Satsu wartete auf mich. Sie würde wissen, was wir tun mußten.
    Es dauerte ziemlich lange, bis Großmama in ihrem Zimmer zur Ruhe kam. Die Dienerinnen schnarchten inzwischen schon laut. Ich tat, als drehte ich mich auf meinem Futon um, und warf einen Blick zu Kürbisköpfchen hinüber, die nicht weit von mir entfernt auf dem Fußboden kniete. Ihr Gesicht konnte ich nicht gut sehen, aber ich hatte den Eindruck, daß sie allmählich schläfrig wurde. Ursprünglich hatte ich warten wollen, bis sie eingeschlafen war, aber inzwischen war mir das Gefühl für die Zeit abhanden gekommen; außerdem konnte jeden Moment Hatsumomo auftauchen. Also richtete ich mich möglichst geräuschlos auf. Falls mich dennoch jemand hörte, wollte ich einfach auf die Toilette gehen und dann zurückkehren. Doch niemand nahm Notiz von mir. Das Gewand, das ich am folgenden Morgen tragen wollte, lag gefaltet neben meinem Futon. Ich nahm es mit und huschte geradewegs zum Treppenhaus.
    Vor Mutters Tür machte ich halt, um eine Weile zu lauschen. Da sie normalerweise nicht schnarchte, sagte mir die Stille nur, daß sie weder telefonierte noch anderweitige Geräusche machte. Im Grunde war es in ihrem Zimmer jedoch nicht mucksmäuschenstill, denn Taku, ihr kleiner Hund, schnaufte ziemlich laut im Schlaf. Je länger ich lauschte, desto deutlicher schien ich aus seinem Schnaufen meinen Namen herauszuhören: »CHI-yo! CHI-yo!« Ich wollte mich nicht zur Okiya hinausschleichen, solange ich nicht sicher war, daß Mutter schlief; also beschloß ich, die Tür aufzuschieben und einen Blick hineinzuwerfen. Wenn sie wach war, wollte ich sagen, daß jemand mich gerufen habe. Wie Großmama schlief auch Mutter bei Lampenlicht, daher konnte ich, als ich die Tür einen Spaltbreit öffnete und hineinspähte, die papiertrockenen Sohlen ihrer Füße erkennen, die unter der Decke hervorragten. Zwischen ihren Füßen lag der schnaufende Tako.
    Ich schloß die Tür und wechselte im oberen Flur die Kleidung. Das einzige, was mir nun noch fehlte, waren Schuhe – es kam mir gar nicht in den Sinn, ohne sie zu fliehen, was Ihnen vielleicht eine Vorstellung davon gibt, wie sehr ich mich seit dem Sommer verändert hatte. Hätte Kürbisköpfchen nicht in der Eingangshalle gekniet, hätte ich mir ein Paar von den Holzschuhen geholt, die wir im ungepflasterten Hofkorridor trugen. Statt dessen nahm ich die Schuhe, die für die Benutzung der oberen Toilette bestimmt waren. Sie waren von schlechter Qualität, mit nur einem Lederriemen, der den Schuh am Fuß hielt. Und zu allem Übel waren sie viel zu groß für mich, aber ich hatte keine Wahl.
    Nachdem ich die Falltür lautlos hinter mir geschlossen hatte, stopfte ich mein Nachtgewand unter den Wassertank und kletterte weiter, um mich rittlings auf den Dachfirst zu setzen. Ich will nicht behaupten, daß ich keine Angst gehabt hätte; die Stimmen der Menschen auf der Straße schienen von sehr weit unten zu kommen. Aber für Angst blieb keine Zeit, denn jeden Moment konnte eine der Dienerinnen oder sogar Tantchen oder Mutter auf der Suche nach mir durch die Falltür heraufkommen. Ich

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