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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Golden
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anzusehen. Das eine war ein schwarzer Lackkamm, geformt wie die untergehende Sonne mit einem goldenen Blumenmuster am Rand, das andere war ein Stab aus hellem Holz mit zwei Perlen am Ende, die eine winzige Bernsteinkugel hielten.
    Draußen vor dem Schulhaus wartete ich, bis das dong der Glocke das Ende des Unterrichts verkündete. Kurz darauf kamen die Mädchen in ihren blau-weißen Gewändern herausgeströmt. Hatsumomo entdeckte mich, bevor ich sie entdecken konnte, und kam mit einer anderen Geisha auf mich zu. Möglicherweise fragen Sie sich, warum sie überhaupt zur Schule ging, da sie doch schon eine vollendete Tänzerin war und bestimmt alles über den Beruf der Geisha wußte, was es zu wissen gab. Doch selbst die bekanntesten Geishas nahmen zeit ihres Berufslebens Tanzunterricht, um sich in dieser Kunst zu vervollkommnen, manche von ihnen bis in ihre fünfziger und sechziger Jahre.
    »Nun sieh einer an!« sagte Hatsumomo zu ihrer Freundin. »Hier muß es sich um ein Unkraut handeln. Sieh doch mal, wie hoch es gewachsen ist!« Das war ihre Art, sich darüber zu mokieren, daß ich um einen Fingerbreit größer geworden war als sie.
    »Tantchen hat mich geschickt«, gab ich zurück. »Ich soll herausfinden, wessen Haarschmuck Sie gestern abend gestohlen haben.«
    Hatsumomos Lächeln verlosch. Sie riß mir das Bündel aus der Hand und öffnete es.
    »Nanu, das sind nicht einmal meine!« sagte sie. »Woher hast du die?«
    »Aber Hatsumomo-san!« sagte die andere Geisha. »Weißt du nicht mehr? Du und Kanako, ihr habt euch den Schmuck aus den Haaren genommen, als ihr beide mit Richter Uwazumi dieses alberne Spiel gespielt habt. Kanako muß mit deinem Haarschmuck nach Hause gegangen sein, während du den ihren mitgenommen hast.«
    »Wie ekelhaft!« sagte Hatsumomo. »Was glaubst du, wann hat Kanako sich zum letztenmal die Haare gewaschen? Jedenfalls liegt ihre Okiya direkt neben deiner. Würdest du den Schmuck für mich hinbringen? Sag ihr, ich werde später kommen und meinen eigenen abholen. Und sie soll gar nicht erst versuchen, ihn zu behalten.«
    Die andere Geisha nahm den Haarschmuck und ging.
    »O nein, du gehst noch nicht, kleine Chiyo«, sagte Hatsumomo zu mir. »Ich möchte dir etwas zeigen. Ich meine das junge Mädchen da drüben, das gerade durchs Tor hereinkommt. Ichikimi heißt sie.«
    Ich sah zu Ichikimi hinüber, aber Hatsumomo schien mir nicht mehr über sie erzählen zu wollen. »Ich kenne sie nicht«, erklärte ich.
    »Nein, natürlich nicht. Sie ist nichts Besonderes. Ein bißchen dumm und so ungeschickt wie ein Krüppel. Aber ich dachte, du findest es vielleicht interessant, daß sie eine Geisha werden wird und du nicht.«
    Ich glaube, Hatsumomo hätte sich keine grausamere Bemerkung ausdenken können. Ungefähr anderthalb Jahre lang mußte ich jetzt schon die schweren Arbeiten einer Dienerin verrichten. Ich hatte das Gefühl, mein Leben erstrecke sich vor mir wie ein endloser Pfad, der ins Nirgendwo führt. Ich will nicht sagen, daß ich unbedingt Geisha werden wollte, aber Dienerin wollte ich ganz sicher nicht bleiben. Lange stand ich im Garten der Schule und sah zu, wie die jungen Mädchen meines Alters plaudernd an mir vorbeiströmten. Möglich, daß sie nur zum Mittagessen in ihre Okiya zurückkehrten, aber mir kam es vor, als schritten sie in einem zielbewußten Leben von einem wichtigen Ereignis zum nächsten, während mir bei der Heimkehr nichts Aufregenderes bevorstand, als die Steine im Innenhof zu scheuern. Als sich der Garten allmählich leerte, stand ich da und sorgte mich, ob dies vielleicht das Zeichen sei, auf das ich wartete: daß andere junge Mädchen in Gion in ihrem Leben vorwärtskommen und mich hinter sich lassen würden. Dieser Gedanken flößte mir so große Angst ein, daß ich es nicht länger allein im Garten aushielt. Ich ging die Shijo-Avenue entlang und wandte mich zum Fluß Kamo. Am Minami-za-Theater kündigten riesige Plakate für diesen Nachmittag ein Kabuki-Stück mit dem Titel Shibaraku an, eins unserer berühmtesten Theaterstücke, obwohl ich damals nichts von Kabuki wußte. In Scharen strömten die Besucher die Treppe zum Theater empor, unter ihnen Herren im dunklen Anzug nach westlicher Art oder im Kimono, während sich mehrere Geishas in ihren leuchtenden Farben wie Herbstlaub auf dem trüben Wasser eines Flusses von ihnen abhoben. Auch hier sah ich das Leben mit all seinen Aufregungen an mir vorüberziehen. Hastig ließ ich die Avenue hinter mir und lief zum

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