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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Golden
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daß es Zeitverschwendung ist, hierzubleiben und ihr zu helfen?« fragte der Direktor.
    »Aber nein«, gab die Geisha zurück. »Es geht eher darum, daß wir keine Zeit haben. Wir kommen für die erste Szene ohnehin schon zu spät.«
    »Nun, Izuko-san, du warst doch sicher einmal in der gleichen Situation wie dieses kleine Mädchen. Du kannst nicht so tun, als wäre das Leben einer Geisha immer einfach. Ich würde meinen, gerade du…«
    »Ich soll in der gleichen Situation gewesen sein wie sie? Meinen Sie etwa, ich hätte mich in der Öffentlichkeit jemals so aufgeführt?«
    Da wandte sich der Direktor an die beiden jüngeren Herren und bat sie, mit Izuko ins Theater vorauszugehen. Die anderen verneigten sich und gingen davon, während der Direktor bei mir zurückblieb. Er musterte mich lange und eingehend, obwohl ich nicht wagte, seinen Blick zu erwidern. Schließlich sagte ich:
    »Bitte, Herr, was sie sagt, ist richtig. Ich bin nur ein törichtes Mädchen… Bitte kommen Sie nicht meinetwegen zu spät.«
    »Steh doch bitte einen Augenblick auf«, sagte er.
    Obwohl ich keine Ahnung hatte, was er von mir wollte, wagte ich nicht, ihm den Gehorsam zu verweigern. Wie sich herausstellte, zog er lediglich ein Taschentuch heraus, um mir den Schmutz abzuwischen, den die Steinmauer auf meinem Gesicht hinterlassen hatte. Als ich so dicht vor ihm stand, roch ich den Duft von Talkumpuder auf seiner glatten Haut, und das erinnerte mich an den Tag, als Kaiser Taishos Neffe in unser kleines Fischerdorf gekommen war. Er war lediglich aus dem Wagen gestiegen, um zur Bucht und wieder zurückzumarschieren, wobei er den Menschen zunickte, die vor ihm knieten. Er trug einen Straßenanzug im westlichen Stil – den ersten, den ich jemals gesehen hatte, denn ich wagte einen kurzen Bick, obwohl das eigentlich verboten war. Außerdem erinnere ich mich, daß sein Schnurrbart sorgfältig gepflegt war, ganz anders als die Gesichtshaare der Männer in unserem Dorf, die alle so wild wucherten wie Unkraut am Wegesrand. Vor jenem Tag hatte noch nie eine wichtige Persönlichkeit unser Dorf mit einem Besuch beehrt. Ich glaube, wir alle empfanden den Hauch von Adel und Größe.
    Gelegentlich stoßen wir im Leben auf Dinge, die wir nicht begreifen, weil wir noch nie etwas Ähnliches gesehen haben. Für mich gehörte der Neffe des Kaisers genauso dazu wie jetzt der Direktor. Als er mir den Schmutz und die Tränen vom Gesicht gewischt hatte, hob er meinen Kopf.
    »Du bist ein schönes Mädchen, das sich wirklich für nichts auf der Welt zu schämen braucht«, sagte er. »Und doch traust du dich nicht, mich anzusehen. Jemand ist sehr grausam zu dir gewesen… aber vielleicht auch das Leben selbst.«
    »Ich weiß es nicht, Herr«, sagte ich, obwohl ich es natürlich genau wußte.
    »Keinem von uns begegnet auf dieser Welt soviel Freundlichkeit, wie er verdient«, erklärte er mir und zog einen Moment die Brauen zusammen, als wollte er sagen, ich solle ernsthaft über seine Worte nachdenken.
    Ich wollte unbedingt noch einmal sein glattes Gesicht sehen, die breite Stirn und die Lider, die sich wie Marmor über den sanften Augen wölbten, aber zwischen uns klaffte ein riesiger gesellschaftlicher Abgrund. Schließlich ließ ich meinen Blick ganz kurz nach oben wandern, errötete dabei jedoch und wandte den Blick so schnell wieder ab, daß er kaum gemerkt haben kann, daß ich aufgeschaut hatte. Wie aber soll ich beschreiben, was ich in jenem kurzen Augenblick sah? Er musterte mich, wie ein Musiker wohl sein Instrument betrachtet, bevor er zu spielen beginnt: mit Verständnis und Meisterschaft. Ich spürte, daß er in mich hineinsehen konnte, als wäre ich ein Teil von ihm. Wie schön wäre es gewesen, das Instrument zu sein, auf dem er spielte!
    Gleich darauf griff er in seine Tasche und holte etwas heraus.
    »Magst du süße Pflaume oder Kirsch?« erkundigte er sich.
    »Herr? Meinen Sie… zu essen?«
    »Ich bin eben an einem Straßenverkäufer vorbeigekommen, der geschabtes Eis mit Sirup feilhält. So etwas habe ich erst kennengelernt, als ich schon erwachsen war, aber als Kind hätte ich es sehr gern gegessen. Nimm diese Münze und kauf dir ein Eis. Nimm auch mein Taschentuch mit, damit du dir anschließend das Gesicht abwischen kannst«, sagte er. Damit legte er die Münze in das Taschentuch, drehte es schnell zu einem Bündel und reichte es mir.
    Von dem Augenblick an, da mich der Direktor ansprach, hatte ich vergessen, daß ich nach einem Zeichen für

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