Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geishas des Captain Fishby

Die Geishas des Captain Fishby

Titel: Die Geishas des Captain Fishby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vern Sneider
Vom Netzwerk:
Ich
verstehe zwar nichts von Ethnologie, aber wenn ich Ihnen irgendwie behilflich
sein kann... Vielleicht möchten Sie das Dorf sehen und die ganze Bande
kennenlernen?“
    Der Doktor nahm den Vorschlag freudig
an. Aber als sie miteinander durch die engen Straßen gingen, schien er nur
Augen für Fisby zu haben. „Captain“, sagte er nach einer Weile, „tragen Sie
immer diese japanischen Holzsandalen?“
    Fisby blickte auf seine Füße und
stutzte verlegen. „Donnerwetter, ich habe ganz vergessen, daß ich sie angezogen
hatte. Wissen Sie, wenn man sich erst mal dran gewöhnt hat
    „Dann hat man das Gefühl, sie seien
einem angewachsen“, fiel der Arzt ein.
    Fisby nickte. „Ja, da haben Sie
eigentlich recht, Doktor.“
    „Aha!“ Der Doktor strich sich
nachdenklich übers Kinn. „Und wie geht es in Ihrem Dorf voran?“
    „Wir haben heut schon eine Menge
geschafft, und dabei ist es erst Mittag. Der Lotosteich ist fertig geworden,
und wir werden ihn wohl bald mit Wasser füllen können.“
    „Ach, Sie legen einen Lotosteich an?“
    „Ja, den brauchen wir unbedingt. Zu
einem erstklassigen Teehaus gehört nun mal ein Lotosteich.“
    „Ja, jedes erstklassige Teehaus sollte
einen Lotosteich haben“, bestätigte der Doktor auch und blickte dann Fisby
wieder forschend an.
    „Ist dieser Lotosteich eigentlich eine
Erfindung von Ihnen, Captain?“
    Fisby schüttelte den Kopf. „Nein, von
,Goldblume’.“
    „,Goldblume?’“ Der Doktor wirkte
plötzlich wie ein Jagdhund, der eine Fährte wittert. „Ist das eine gute
Freundin von Ihnen?“ Fisby sprach jetzt ganz vertraulich: „Ich möchte freilich
nicht, Doktor, daß Sie darüber reden, aber sie ist mir etwas mehr als nur eine
gute Freundin. Wissen Sie — Herr Motomura hat mir ein paar Geishas geschenkt,
und sie ist die eine von ihnen. Bevor wir hierherkamen, war sie tatsächlich
eine der berühmtesten Geishas in der Hauptstadt Naha, man kann schon sagen von
ganz Okinawa. Sie ist nie in ganz gewöhnlichen Teehäusern gewesen und war auch
oft beim Gouverneur zu Gast.“
    „Nun ja“, meinte der Arzt beifällig,
„wenn man schon eine Geisha besitzt, muß sie auch wirklich Klasse sein. Das ist
immer meine Rede, Captain.“
    Allmählich fand Fisby diesen kleinen
Arzt mit den scharfen, durchdringenden Augen eigentlich recht sympathisch. „Wie
wär’s wenn wir jetzt zurückgingen und einen ordentlichen Kaffee trinken
würden?“
    Der Doktor lehnte jedoch höflich ab.
„Ich habe jetzt noch einiges zu tun, Fisby. Aber wenn Sie nichts dagegen haben,
bleibe ich sehr gern ein paar Tage hier, in Ihrem Dorf, um meine — meine Arbeit
fertigzustellen. Ich hatte eigentlich geglaubt, ich würde sie in ein bis zwei
Stunden erledigen können, aber ich fürchte, ich brauche doch mehr Zeit, als ich
ursprünglich dachte.“
    Fisby war durchaus damit
einverstanden. „Ich möchte Sie nur bitten, Oberst Purdy davon in Kenntnis zu
setzen“, fügte er hinzu. „Der Oberst nimmt das ziemlich genau.“
    Seltsamerweise hatte der Doktor gerade
denselben Gedanken. — Am Abend, als sie zusammen in Fisbys Zimmer oben am Hügelhang
saßen und ins Dorf hinunterblickten, bezeigte der Doktor ein merkwürdiges
Interesse an Fisbys Wohnung.
    „Aber warum haben Sie sich diese Hütte
hier oben gebaut?“ fragte er. Fisby sah verträumt auf die Zigarre, die er jetzt
nach dem Essen rauchte. „Ich weiß es nicht, Doktor, aber ich habe es ganz gern,
hier oben zu sitzen und so auf das Dorf hinunterzusehen.“ Der Doktor blickte
ihn prüfend von der Seite an: „Das gibt Ihnen wohl so ein Gefühl, als seien Sie
hier der große weiße Vater?“
    „Wie Sie das jetzt so sagen, Doktor —
tatsächlich, so ungefähr empfinde ich das auch.“
    Unten im Dorfe erregte etwas die
Aufmerksamkeit Fisbys, und er beugte sich weiter vor. „Sehen Sie, Doktor, das
ist der Präsident.“
    Wie aus der Pistole geschossen fragte der
Arzt zurück: „Doch nicht Roosevelt?“
    „Nein, Hokkaido. Sie haben nämlich
heute abend eine Gesellschaft auf der Veranda des Cha yas, und er wird wohl
schon dorthin gehen, um alles vorzubereiten.“ Der Doktor entschuldigte sich
jetzt damit, noch ein paar Briefe schreiben zu müssen, während Fisby weiter am
Fenster saß, in den Anblick des Dorfes versunken. Drehte er sich aber zufällig
einmal um, so begegneten seine Augen jedesmal den Blicken des Doktors, die
forschend auf ihm ruhten. Der Doktor nickte ihm dann freundlich zu, sah darauf
wieder in seine Papiere, die er auf den

Weitere Kostenlose Bücher