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Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Titel: Die Geister schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Care Santos
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sich über das gesamte Personal. Sie fungierte zugleich als Wirtschafterin, Verwalterin und Oberhaupt der Dienerschaft – schließlich oblag es ihr, Don Rodolfo allwöchentlich Rechenschaft über die Ausgaben des Haushaltes abzulegen, und niemandem war entgangen, dass sie als Einzige der Hausangestellten von den Herrschaften nicht geduzt wurde. Zudem schien sie weitaus mehr Einfluss zu haben, als es ihrer Stelle angemessen war, für die sie den dreifachen Lohn eines Hausmädchens erhielt.
    Eutimia war Witwe. Es hieß, ihren Mann hätten die Wölfe in ihrem Geburtsort aufgefressen, aber niemand wusste genau, ob dies wahr oder nur eine üble Nachrede war, die andere Bedienstete erfunden hatten, um sich an kalten Winterabenden die Langeweile zu vertreiben. Wenn es zutraf, dann zu der Zeit, als sie noch in der Nähe des Rio Negro lebte, in einem Dorf in der Sierra de la Culebra, und allein diese Ortsnamen – der schwarze Fluss und das Schlangengebirge – erschreckten die jüngeren Hausangestellten, Concha eingeschlossen. Es hieß auch, Eutimia trage Schnurrbarthaare ihres verstorbenen Gatten in einem Medaillon bei sich, das sie niemals ablegte, nicht einmal beim Schlafen. Diese Barthaare waren anscheinend für sie ein zuverlässiger Talisman. Ihnen verdankte sie diesen gewaltigen Elan eines wilden Tieres.
    »Eutimia, ich stelle Ihnen Conchita vor«, begann die Señora. »Conchita ist die neue Amme für unseren kleinen Amadeo.«
    Die Haushälterin trug eine weiße, frisch gebügelte Schürze, das brünette Haar zu einem Dutt zusammengefasst. Auf dem Kopf prangte eine Haube, die ebenso makellos war wie die übrige Kleidung. Den hageren Neuzugang des Personals bedachte sie mit einem knappen Kopfnicken, auf das Concha zu spät reagierte. Schon bei dieser ersten Begegnung kam ihr der Blick der Haushälterin missbilligend vor.
    Die Hausherrin erteilte mit sanfter Stimme Anweisungen: »Ich bitte Sie, sich darum zu kümmern, dass Conchita gut zu Abend isst. Rosalía soll an ihr Maß für eine Uniform nehmen. Und bitte sorgen Sie dafür, dass man ein Zimmer für sie bereitet.«
    »Ja, Señora«, antwortete Eutimia und nickte erneut. »Ich erlaube mir jedoch, Sie daran zu erinnern, dass die beiden einzigen derzeit unbewohnten Zimmer ungeputzt und voller Gerümpel sind.«
    Die Señora wirkte keineswegs bestürzt.
    »Dann sorgen Sie dafür, dass sie gereinigt werden. Und es muss ein Platz gefunden werden, wo man Conchita in der Zwischenzeit unterbringt.«
    »Im Zimmer von Carmela, der neuen Kammerfrau, ist ein Bett frei«, informierte die tüchtige Kapitänin.
    »Gut. Die beiden teilen solange das Zimmer. Nur für ein oder zwei Nächte, bis das andere fertig ist. Das Problem hätten wir gelöst!«
    »Sehr wohl, Señora. Geben Sie einem der beiden Zimmer einen Vorzug?«
    »Ach, Eutimia, lassen Sie mich nicht darüber nachdenken müssen«, fiel ihr die Hausherrin ins Wort. »Das soll Conchita entscheiden. Sie hat bestimmt ihren eigenen Geschmack. Aber im Moment ist das Wichtigste, dass sie etwas zu essen bekommt. Bitte, halten wir uns nicht länger auf. Das Mädchen muss unbedingt zu Kräften kommen.«
    »Ja, Señora. Ich werde Juanita bitten, sich zu beeilen.«
    Eutimia verströmte bei ihrem Abgang die für sie typische Energie, und die Señora blickte verzückt hinüber zu Concha.
    »Meinst du, du wirst dich bei uns wohlfühlen?«, fragte Maria del Roser.
    Concha nickte, wiederum unter Tränen.
    »Also sprechen wir nicht weiter darüber. Eutimia wird dir die Regeln erklären, die in unserem Haus gelten. Bleibst du gleich hier bei uns? Ach, wie dumm bin ich doch, du wirst noch deine Siebensachen abholen und dich von deinen Leuten verabschieden müssen … Entschuldige, ich bin einfach zu ungeduldig. Sag mir, wann du kommen könntest. Aber, bitte, es soll möglichst bald sein. Wir benötigen dich hier wirklich dringend …«
    Conchas Habseligkeiten bestanden lediglich aus dem, was sie am Leib trug, sowie aus einer schweren Bürde aus Trauer und Unglück. Es gab niemanden, von dem sie sich verabschieden und von ihrem Weggang unterrichten konnte, außer der Cousine, die sie nun mit einer Mischung aus Stolz und Verwunderung betrachtete.
    »Ich kann sofort hierbleiben«, stammelte Concha.
    »Gott sei Dank!« Die Señora zeigte sich so zufrieden, dass sie mit ihrem Überschwang die beiden Cousinen verwirrte. »Ich werde die entsprechenden Anweisungen geben. Und du, bleib einfach solange hier, du musst dich um gar nichts

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