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Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Titel: Die Geister schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Care Santos
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hörten, ganz aus dem Häuschen.
Los pollos elegantes
piensan, no es guasa,
seguirnos a las chicas
a retaguardia.
Mas yo pienso decirles,
con gran valor,
que delante estarían
mucho mejor.
(Da klagt manch junger Geck:
»Es ist kein guter Witz,
wenn wir vom Mädchen keck
nur sehen, worauf es sitzt.«
Dann kann ich ihm sagen,
mit wirklichem großem Mut:
»Wohlauf, nur nicht verzagen,
von vorn ist’s noch mal so gut!«)
Ich war engagiert, noch ehe ich das Lied zu Ende gesungen hatte.
»Du wirst in der Vorstellung heute Abend dein Debüt haben«, sagte der Alte zu mir. »Du bekommst sieben Peseten am Tag. Bist du damit einverstanden?«
Wie sollte ich damit nicht einverstanden sein? Ich war doch erst fünfzehn Jahre alt! In der Fabrik erhielt ich zehn Peseten für die ganze Woche! Welches Mädchen von meiner Herkunft hätte das Angebot nicht ohne groß darüber nachzudenken angenommen?
Dann lud Amadeo mich zum Mittagessen ins Café Suizo ein. Er sagte, um zu feiern. Zuvor brachte er mich noch zu einer Schneiderin in der Calle Consejo de Ciento, die für mich ein elegantes Rohseidenkleid anfertigte. Dann sind wir essen gegangen. Ich kam mir vor wie im Traum.
»Du wirst näher beim Theater wohnen müssen«, sagte er mir, während er mein Glas wieder und wieder mit Champagner füllte, »und natürlich kannst du deine früheren Freunde nicht mehr treffen. Jetzt gehörst du deinem Publikum.«
»Was für Freunde?«, fragte ich belustigt zurück, und verriet damit Juan in Wort und Tat. »Aber ich habe doch noch nie einen gehabt!«
Meine Antwort stellte Amadeo so zufrieden, dass er mir einen Kuss gab. Doch diese Zärtlichkeit war eher eine heftige Attacke.
»Du brauchst noch einen Künstlernamen«, meinte er. »Montserrat Espelleta klingt nicht verlockend genug. Es muss ein universaler Name sein. Hast du dir schon etwas überlegt?«
Ich hatte mir natürlich noch nichts überlegt, also dachte er für mich nach.
»Ah, ich habe schon eine Idee«, sagte er. »Du wirst Olympia sein. Kennst du das Bild von Manet?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Das passt zu dir. Gefällt dir der Name?«
Mir kam er merkwürdig vor.
»Bella Olympia, die Schöne Olympia«, sprach er feierlich. »Genau. Das wirst du von nun an sein. Meine Schöpfung!«
Amadeo mietete für mich ein Zimmer im Hotel Cuatro Naciones. Er fuhr mich hin, damit ich dort ausruhen konnte, und holte mich am Abend ab, um mich zum Theater zu bringen. Hinter den Kulissen hat er mich dann auf die Stirn geküsst und mir Glück gewünscht. Er saß in der ersten Reihe und applaudierte mir. Mein Debüt war ein großer Erfolg, und bald kannte die ganze Stadt meinen Namen. Innerhalb von wenigen Wochen bekam ich mehr Geld für meine Auftritte. Amadeo verpasste keine Vorstellung. Er hatte im Doré einen eigenen Platz und lud mich danach immer zum Abendessen ein. Er benahm sich wie ein Kavalier, und das gefiel mir. Wie nicht anders zu erwarten, habe ich mich ihm irgendwann hingegeben. Er hat mich um nichts bitten müssen. Ich selbst habe ihm die Tür zu meinem Schlafzimmer geöffnet. Ich habe ihn auf eine Weise verehrt, die ich niemals für möglich gehalten hätte.
Das Leben einer Künstlerin ist in diesen Jahren nicht einfach gewesen. In ganz Barcelona wimmelte es vor Vergnügungen, das Geld floss in Strömen und überall gab es Männer auf der Suche nach Amüsement. Mein Repertoire bestand größtenteils aus Couplets, aus zweideutigen Liedern, die früher zum Revuetheater gehört hatten und die in den letzten Jahren ein wenig aus der Mode gekommen waren. Ich habe diese wunderbare Tradition wieder aufleben lassen. Aber das Singen von anzüglichen Texten barg in diesen verrückten Jahren auch eine Gefahr: Viele Zuschauer hielten einen für etwas, was man überhaupt nicht sein wollte. Man war also dankbar, wenn man einen Mann an der Seite hatte, der einen verteidigte und auf einen aufpasste. Mir fehlte es damals an Erfahrung, und ohne ihn hätte ich in diesem Dschungel wohl kaum einen Monat überlebt.
Am Anfang hat Amadeo seine Rolle mit großer Freude gespielt. Er kaufte für mich eine wunderschöne Wohnung in der Rambla de Catalunya, wo er mich oft besuchte. Manchmal ist er viele Tage gar nicht nach Hause gekommen. Wenn wir zusammen waren, lebten wir in einem Strudel aus Glück und Luxus. Er hat mich sogar porträtiert, nur in eine bestickte Seidenstola gehüllt. Auf diesem Gemälde hat er sich auch selbst in der ersten Reihe gemalt, wie er mich – also sein Werk – bewunderte, was in jenen

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