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Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Titel: Die Geister schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Care Santos
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mich weder widersetzt noch einen Streit begonnen. Er gab mir eine Woche Zeit. Ich konnte ihn ohne weitere Schwierigkeiten zu zwei Wochen überreden.
Ich habe mir dann eine kleine Wohnung in der Calle Ganduxer gemietet. Ich habe mir einige Zeit den Luxus geleistet, so zu leben, als gäbe es keine Männer. Ich habe weder mit dem Alkohol noch mit dem Kokain aufhören können, aber ich mäßigte meinen Konsum und kaufte nur die beste Qualität. Eine Zeit lang ist es mir damit ganz gut gegangen. Ich bin nicht dumm, ich habe genug verdient und alle Theaterimpresarios in Barcelona kannten mich. Das waren die Jahre der wirtschaftlichen Blüte, und noch gefiel allen mein Repertoire. Ich dachte, ich könne allein zurechtkommen. Aber eines Tages wandte sich alles gegen mich ohne jegliche Vorwarnung. Ich vermute, ich hatte es verdient. Wer so schnell aufsteigt, verdient es, genauso schnell zu fallen.
Ich weiß nicht, wie es passierte. Der Triumph des Kinos, das Ende des Varietés, der Wandel der Vorlieben des Publikums, die Wirtschaftskrise, die modernen Strömungen, die die Weltausstellung mit sich brachte, ich weiß es wirklich nicht. Tatsache ist, dass die Theater entweder ihre Türen schlossen oder sich an den neuen Stil des Kinematographen anpassten. Am Anfang gab es noch ein Nebeneinander mit der neuen Erfindung, doch schließlich haben uns die Leinwandhelden alle hinweggefegt. Nur wer auf den neuen Zug aufspringen konnte, entging dem Unheil. Als ich weniger Engagements hatte, musste ich wieder meinen Körper verkaufen. Es gab weder Hoffnungen noch Triumphe mehr für mich. Das Geld rann mir durch die Finger. An einem fürchterlichen Tag entdeckte ich im Schritt lauter kleine Geschwüre. Ich hatte mich mit Syphilis angesteckt.
Seit jenem Tag ist viel Zeit vergangen und mein Leben ist ein einziges Elend. Von meinen Eltern habe ich seit langem überhaupt nichts mehr gehört. Mir ist auch lieber, wenn sie gar nicht erfahren, was aus mir geworden ist. Mir sind auch keine Freunde geblieben: Die Männer, die ich mit meinem Luxusleben angezogen hatte, haben sich einfach in Luft aufgelöst. Selbstverständlich habe ich von Amadeo nie wieder etwas gehört, und das wollte ich auch gar nicht. Ich habe mich schließlich mit Leib und Seele den Büßenden Schwestern anvertraut, und dank der Nonnen habe ich es mit ein wenig Würde bis hierher geschafft. Den Brief, den Sie nun in Händen halten, diktiere ich vom Bett aus Sor Elisa. Wenn es so weit ist, wird sie ihn Ihnen zukommen lassen.
Dennoch hat es am Ende noch einen Lichtblick gegeben, und davon möchte ich Ihnen berichten, bevor ich für immer schweige. Es ist erst einige Wochen her. Sor Elisa fragte mich, ob es jemanden gebe, mit dem ich mich aussöhnen möchte, ehe ich vor Gott trete. Da habe ich gewagt, nach so vielen Jahren wieder den Namen Juan Lax auszusprechen. Dabei hatte ich das Gefühl, als würden die besten Momente meines Lebens an meinem Auge vorüberziehen. Mir fiel ein, dass Amadeo mir in meinen verrückten Jahren des Ruhmes erzählt hatte, dass sein Bruder in das Jesuitenseminar eingetreten war. Von der Priesterweihe erfuhr ich erst, als mir der Bevollmächtigte der Familie lakonisch auf meine Fragen antwortete.
»Padre Juan«, flüsterte ich, ohne dass ich wusste, aus welchem fernen Winkel meiner Erinnerung sein Name hochgestiegen war.
Er kam dann von weit her zu mir, um sich auf meine Bettkante zu setzen; aus ihm ist inzwischen ein in sich ruhender Mann Gottes geworden. Er nahm meine Hände und küsste mich auf die Stirn. Er hat mir unendlichen Trost gespendet, betete für mich und half mir dabei, Gott anzurufen. Er hat mir versprochen wiederzukommen, um mir die letzte Ölung zu erteilen. Sein gelassenes Gesicht ist die beste Erinnerung, die ich von dieser Welt mitnehmen kann.
Bevor er ging, habe ich ihn um Verzeihung gebeten, weil ich ihn damals so tief verletzt hatte. Er beruhigte mich und sagte, dass er mir nichts vergeben müsse, da ich keinen Fehler begangen, sondern nur mit Naivität und jugendlichem Leichtsinn gehandelt habe. Ich habe ihn gefragt, wem er dann vergeben werde. »Ich werde niemals dem Menschen verzeihen können, der auf diese Weise mit unserem Leben gespielt hat«, hat er daraufhin mit fester, aber leiser Stimme gesagt. Ich habe ihn gefragt, wen er damit meine, da hat er noch hinzugefügt: »Dieser Groll wird mich noch in die Hölle bringen, aber dort werde ich die Zeit auf ihn warten, die nötig sein wird.«
Dann beruhigte er sich wieder, und

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