Die Geister schweigen: Roman (German Edition)
Schwierigkeiten hatte. Sie erlitt fünf Fehlgeburten, und zwar alle in den ersten Schwangerschaftswochen, denen stets eine Verstimmung folgte, die einige Tage ihre Augen umschattete. Eine Verstimmung, die sie nicht genauer erklären konnte, eine Sehnsucht nach etwas, das sie sich nie gewünscht hatte, das aber plötzlich ein Teil von ihr war. Äußerst renommierte Ärzte untersuchten Teresa nach den ersten Aborten, doch sie fanden keine Erklärung dafür, und es kam zu weiteren Fehlgeburten. Nach der fünften war die Schwiegermutter nicht mehr die glänzende Lehrerin, der sie vertrauen konnte. In Maria del Rosers Kopf begann sich etwas zu verdunkeln, und zwar rasend schnell. Als Teresa zum sechsten Mal schwanger war, hatte sie bereits jegliche Hoffnung aufgegeben, ihrem Ehemann ein Kind schenken zu können. Doch diesmal gedieh die Schwangerschaft. Alles verlief gut, mit einer Einschränkung: Maria Roser würde ihren ersten Enkel nicht mehr kennenlernen. Und, vor allem, sie würde ihr nicht bei der Geburt beistehen können.
Aber kehren wir zu dem schönen Morgen zurück, an dem die Wehen einsetzten.
Teresa öffnet die Augen und blickt auf in die betroffenen Augen einer dicken, kleinen Frau mit rundem Gesicht, schlaffen Wangen und winzigen Füßen. Diese spricht schnell und trippelt in kurzen, schnellen Schritten näher, wie ein Spielzeugsoldat.
»Guten Tag. Ich frage Sie nicht, ob Sie die Gebärende sind, denn das ist offensichtlich«, sagt sie mit hoher Stimme. »Ich bin Elisa, die Hebamme, und ab jetzt müssen Sie alles machen, was ich Ihnen sage. Legen Sie erst einmal sämtliche Kleidung ab und ziehen Sie sich ein weites Nachthemd an. Dann legen Sie sich mit breiten Beinen auf das Bett. Ist das das richtige Zimmer? Mit Verlaub.«
Die Hebamme geht in das Zimmer, und Teresa schlurft hinter ihr her, gefügig wie ein kleines Haustier. Einige Stunden lang folgen alle Elisas Anweisungen. Sie schleppen Kübel herbei, tragen dreckige Wäsche weg, öffnen und schließen die Fenster, je nach Anweisung dieser kleinen, zähen Frau mit dem Kasernenhofton, die im Haus die Macht übernommen hat.
Bei allen Aufträgen, die sie von Elisa erhält, leistet Teresa nur einmal Widerstand.
»Legen Sie das ab«, befiehlt Elisa und deutet auf die Kette mit dem Anhänger, den die Gebärende um den Hals trägt.
Ihr ist das aufgefallen, weil Teresa unter ihrem Hemd instinktiv danach gesucht hat und nun das Schmuckstück in der geballten Faust hält, während die Wehen immer häufiger und länger werden und ihr schließlich auch die Ruhephasen dazwischen rauben. Teresas Körper windet sich, als wolle er sich gegen diesen Schmerz verteidigen, gegen den sie nichts ausrichten kann. In einem kurzen friedlichen Moment hat Teresa nach dem Ring an der Goldkette getastet, den sie seit der Nacht des 24. Dezember 1932 um den Hals trägt, seit genau fünf Monaten.
Das Leben beschert uns zuweilen wunderbare Zufälle. Die goldene Halskette samt Ring mit dem eingravierten Namen – Francisco Canals Ambrós, von dem sie so viel gehört hat – ist einer davon. Hier, auf diesem Bett, hat ihre Schwiegermutter ihr das Versprechen abgenommen, die Halskette niemals abzulegen. Und hier, in diesem Moment der schmerzhaften Krämpfe, hält sie sich an dem Anhänger und an den lieben Worten fest, die seine Übergabe begleiteten. In diesem Bett ist Maria del Roser gestorben, und in diesem Bett wird nun ihr erster Enkel auf die Welt kommen, der vielleicht etwas von diesem unsichtbaren Erbe aufnehmen wird, das nichts mit der Blutsverwandtschaft zu tun hat. Teresa wünscht sich, dass irgendwo die ganze Liebe dieser Person geblieben ist, die nun nicht mehr da ist, um dieses Kind zu beschützen.
Teresa kann nicht laut werden. Nicht einmal in den schlimmsten Momenten ihres Lebens. Bei ihrer Erziehung ging es um Diskretion und Mäßigung, sie könnte nicht einmal schreien, wenn sie wollte, so sehr die Hebamme sie auch dazu auffordert.
»Schreien Sie«, sagt diese zu ihr. »Sie werden sehen, wie befreiend das wirkt.«
Teresa gibt einen gutturalen Laut von sich. Einen in die Länge gezogenen Laut, fast ein Brüllen. Sie zerknüllt die Betttücher, windet sich, schwitzt, versucht zu atmen, und zuweilen bleibt ihr die Luft weg. Sie weiß, dass ihre Schwester auf Reisen ist, es ist nutzlos, sie zu belästigen. Tatín wird ihren Neffen – oder ihre Nichte, denkt sie – schon kennenlernen, wenn sie wieder da ist. Teresa hätte jetzt gern bekannte Gesichter um sich,
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