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Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Titel: Die Geister schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Care Santos
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wie sie, so ergangen. Tatsache ist, dass wir sie niemals wiedergesehen haben. Julián und Vicenta sind gestorben, ohne je wieder etwas von ihrer Tochter gehört zu haben, und ich glaube, dass die drei inzwischen im Himmel vereint sind.
Später war es an der Tagesordnung, dass Leute verschwanden und ohne weitere Erklärungen wieder auftauchten. Higinio zum Beispiel hat sich den Milizen angeschlossen, nachdem man ihn davon überzeugt hatte, dass der Arbeiterkampf die bessere Zukunft bot und man diejenigen bekämpfen musste, die einen lebenslänglich unterwerfen wollten. In den Tagen wurden viele bedeutende Persönlichkeiten umgebracht, und du kannst dir gar nicht vorstellen, wie oft ich dem Himmel dafür gedankt habe, dass er dir diese Hölle erspart hat. Kurioserweise kam Higinio einige Monate später zurück, als der Krieg schon fast zu Ende war, und da gehörte er zu den Siegern. Er hat uns niemals verraten, wo er die Lager gewechselt hat, und wir haben ihn auch nie danach gefragt. Ehrlich gesagt, es ist es mir auch egal gewesen, denn ich habe mich sehr gefreut, ihn lebendig wiederzusehen. Gute Menschen bleiben gut, ganz unabhängig davon, was sie denken. Higinio ist mit den nationalspanischen Truppen in Barcelona einmarschiert und kam bei der ersten Gelegenheit ins Haus, um nach uns zu sehen. Aurora und ich haben ihm, so gut es ging, einen Empfang bereitet und das Wenige, was wir zu essen hatten, mit ihm geteilt. Wir haben ihm berichtet, dass Vicenta auf offener Straße ermordet wurde, weil sie die katalanische Fahne geschwenkt und separatistische Parolen gerufen hat. Da hat er uns umarmt und uns versprochen, von nun an dafür zu sorgen, dass uns nichts geschieht. Und er hat Wort gehalten! Higinio ist für uns Frauen und auch für das Haus ein Schutzengel gewesen. Er hat uns Arbeit als Näherinnen und Bügelfrauen verschafft. Er kam jede Woche mit Kleidersäcken zu uns ins Haus und nahm die fertigen Kleidungsstücke wieder mit. Er hat uns bar bezahlt. Wir haben ihn niemals gefragt, von wem die Aufträge kamen, aber es waren viele, und er kam oft zu uns, so dass wir relativ gut über die Runden kamen, auch wenn wir uns dafür reichlich geplackt haben. Bei seinen häufigen Besuchen entstand zwischen Higinio und Aurora eine große Zuneigung. Sie haben vor zwei Monaten geheiratet und ich hatte die Ehre, ihre Trauzeugin sein zu dürfen. Und jetzt, da meine Gesundheit zu wünschen übrig lässt, kümmern sich die beiden um mich, als wären sie meine Kinder. Mit den beiden hat mir der Himmel ein großes Geschenk gemacht.
Higinio ist nicht der Einzige, der zurückgekommen ist. Auch Antonia ist wiedergekommen. Doch in ihrem Fall war die Überraschung weniger angenehm. Aus ihr war eine machtvolle Milizin geworden. Du hättest sehen müssen, wie sie herumkommandiert hat. Ich glaube, man hat sie für eine Nonne gehalten, die vom Glauben abgefallen ist, und dem hat sie auch nicht widersprochen. Sie hat sich wichtig gemacht und uns bedroht: Entweder schlössen wir uns ihrer Sache an, oder sie würde uns umbringen und das Haus mit uns allen verbrennen. Sie bekam einen heftigen Wutanfall, als sie feststellte, dass es hier nichts mehr zu holen gab, denn die, die vor ihr hier waren, hatten schon alles mitgenommen. Sie haben nicht einmal die Kochtöpfe in den Küchen stehengelassen. Julián erhob Widerrede gegen sie, woraufhin ihm einer der Männer in ihrer Begleitung ein Bajonett in den Bauch stieß. Drei Tage später mussten wir Julián bestatten. Übrigens, dein Bruder Juan war bei der Beisetzung dabei. Auf einmal war er da, in weltlicher Kleidung und so dünn, dass er nicht wiederzuerkennen war. In der ersten Zeit wurden die Jesuiten sehr hart verfolgt, doch ihm war die Flucht gelungen, indem er sich in den Häusern einiger mutiger Gläubigen versteckte. Aber dann wendete sich das Blatt, und er fühlte sich nirgends mehr sicher. Wir haben versucht, ihm zu helfen, doch am nächsten Tag kamen mehrere Priester und holten ihn ab. Sie wollten in irgendein Land in Südamerika auswandern, zumindest haben sie das gesagt. Ich hoffe, es ist ihnen gelungen.
Aber auch bei den republikanischen Truppen, die aus dem Haus drei Monate lang ihr Hauptquartier gemacht hatten, haben wir bekannte Gesichter entdeckt. Einige berichteten, früher in den Lax-Fabriken gearbeitet zu haben, und haben alles mit Respekt und Bewunderung betrachtet. Sie schleppten säckeweise Lebensmittel an, und ich habe für sie gekocht. Abends sangen und tranken sie im

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