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Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Titel: Die Geister schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Care Santos
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auf Kuba oder in New York. Er ist jahrelang davon ausgegangen, dass Octavio einen anderen Namen angenommen habe, um unerkannt bleiben und mit seiner Geliebten ein diskretes Leben führen zu können. Aber wenn diese Geliebte gar nicht bei ihm war, entbehrt die ganze These ihrer Grundlage. Gabriel Portal hat ihn auch auf keinem der mehr als zwanzig Friedhöfe gefunden, auf denen er recherchiert hat. Für dieses Rätsel gibt es einfach keine plausible Erklärung. Der alte Herr hat indes mehrere Hypothesen aufgestellt: »Entweder ist Octavio niemals an Bord gegangen und hat hier unter falschem Namen weitergelebt, oder er ist in ein anderes Land geflohen, vielleicht in Mussolinis Italien, wohin in jener Zeit so viele andere reiche Unternehmer aus Barcelona geflüchtet sind. Oder er ist in den Wirren des Bürgerkrieges umgekommen …« Schließlich meinte er nur noch: »Es ist eine unmögliche Gleichung. Es gibt einfach zu viele Unbekannte.«

Meine Barcelona-Exkursion geht ihrem Ende entgegen. Gestern habe ich Daniel auch noch den ehemaligen Wohnsitz der Familie gezeigt. Die Maurer geben dem neuen Museo Amadeo Lax seine Form. Mein Büro wird im Untergeschoss liegen, dort, wo früher der Dienstbotentrakt war. Die Küchen sind relativ gut erhalten, sie werden in die Ausstellung miteinbezogen. Das Museum wird Ende des Jahres fertiggestellt sein, die Eröffnung soll am 22. Januar stattfinden, also mit Großvaters Geburtstag zusammenfallen. Dieser Tag stellt auch das Datum für meine Rückkehr nach Barcelona dar, für mich und meine ganze Familie. Allein die Vorstellung macht mich glücklich, und Daniel ist begeistert.
Also, morgen werde ich die Koffer packen und heimfliegen. Irgendwie muss ich mich bei Drina für all die Unannehmlichkeiten entschuldigen, die ich ihr in den letzten Wochen bereitet habe, und auch die Standpauke meiner Vorgesetzten vom Art Institute über mich ergehen lassen. Ich denke, sie werden ziemlich verblüfft sein, wenn ich ihnen meine Kündigung vorlege. Aber es ist mir gelungen, Papa davon zu überzeugen, zu der Museumseröffnung zu kommen. Wenn du nichts Besseres vorhast, hätte ich dich auch gerne dabei.
Schließlich habe ich heute Morgen noch Teresas Grab besucht. Ich habe einen riesigen Strauß roter Rosen gekauft und bin mit dem Vorsatz, mich von ihr zu verabschieden, über die von der Sonne beschienenen Wege des Friedhofs gegangen. Bevor ich zu Teresas Grabkammer kam, habe ich noch gedacht, wie ungerecht es ist, dass ihre sterblichen Reste hinter einer namenlosen Zementplatte liegen, und beschlossen, für sie eine Gedenktafel aus Marmor in Auftrag zu geben, mit ihrem eingravierten Namen. Aber dann musste ich zu meiner großen Überraschung feststellen, dass das Grab inzwischen ganz anders aussieht. Es ist nicht mehr anonym. Es hat eine wunderschöne Tafel aus schwarzem Granit, mit einer silbrigen Inschrift.
TERESA BRUSÉS BESSA
(1907–1936)
DEIN SOHN UND DEINE ENKELIN
WERDEN DICH NIEMALS VERGESSEN
Auf der schmalen Laibung lag ein Strauß verwelkter Margeriten. Ich habe sie weggenommen und dort meine Rosen abgelegt. Du hast mir doch mal erzählt, dass Margeriten Papas Lieblingsblumen sind, oder?
Dann bin ich noch bei dem Volksheiligen vorbeigegangen, um mich auch von ihm zu verabschieden. Sein Grab war wieder so überhäuft mit Blumen, Votivgaben und allen möglichen Geschenken wie beim letzten Mal. Ich bin stehen geblieben, um diesen berühmten Riss zu betrachten, der diagonal über die Grabtafel verläuft, doch es ist nichts passiert. Aber ich muss zugeben, meinen Wunsch hat er erfüllt. Jetzt wo ich darüber nachdenke, fällt mir wieder ein, dass ich versprochen hatte, dir von meinem Wunsch zu erzählen, wenn der Santet ihn mir erfüllt, nicht war? Also: Ich habe ihn gebeten, mir dabei zu helfen, aus Chicago wegzukommen. Ich habe es wirklich keinen Tag länger dort ausgehalten.
Und, bist du überrascht?
Als Lohn für seinen wirksamen Dienst habe ich beschlossen, Francisco Canals Ambrós die Halskette und den Goldring mit seinem Namen zu überlassen. Ich habe keine Ahnung, wie das Schmuckstück an Teresas Hals gelangt ist, und auch nicht, welche Bedeutung es für sie hatte, aber es schien mir nur gerecht, dass er es erhält.
Also, jetzt komme ich zum Schluss. Ich haue so gerne in diese neue Tastatur, dass ich fast das Gefühl habe, sie übe auf mich eine Art Fluch aus. Wenn ich erst einmal zu schreiben beginne, nehmen die Geschichten anscheinend kein Ende.
Ich schicke nur noch eine kleine

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