Die Geister schweigen: Roman (German Edition)
sammeln und sage immer das, was Gott befiehlt.« Doch für das Beste vom Ganzen senkte Eutimia ihre Stimme: »Außerdem weiß ich aus guter Quelle, dass die Señora darum gebeten hat, auf einem nicht gesegneten Friedhof bestattet zu werden.«
Diese Äußerung führte zu den nächsten empörten Ausrufen.
»Was ist mit Don Eudaldo? Er ist doch ein Vertrauter der Familie, oder?«, verwies jemand auf den Pfarrer der Iglesia de la Concepción. »Kann er denn nichts dagegen ausrichten?«
»Was meinst du, warum er jeden Sonntag hierherkommt? Er will sie nur wieder auf den rechten Weg zurückführen! Es heißt, dass Don Rodolfo das ein Vermögen kostet. Da müssen noch einige Messen abgehalten werden, um die verlorenen Schäfchen wieder einzusammeln.«
Wenn das Gespräch so weit gediehen war, bekreuzigte sich das Hausmädchen, und die Haushälterin setzte eine mitleidige Miene auf.
»Möge Gott ihr verzeihen«, war ihre reumütige Stimme zu vernehmen.
Und Eutimia, die sich diese Gelegenheit, die Stimmung im Haus zu verändern, nicht entgehen lassen wollte, ergänzte noch:
»Möge Gott uns allen verzeihen, die wir bei ihnen in Stellung sind.«
Conchas Beziehung zu Gott war immer etwas angespannt gewesen. Sie konnte niemals begreifen, wie ein Wesen, das im Ruf stand, gütig zu sein, so furchtbar strafen konnte. Anfänglich schrieb sie ihre Zweifel ihrer Unwissenheit zu. Sie meinte, kein Recht zu haben, ihre Meinung zu äußern, die sie von vornherein für falsch hielt. Aber dank des Geredes von Eutimia und des übrigen Personals lernte sie dazu und wagte es, nach diesem Gott zu fragen, der ihr nur Leid aufgebürdet hatte. Sie raffte sich dazu während des Leseunterrichts auf, ohne weitere Vorwarnung, wobei ihr Puls an den Schläfen pochte.
»Señora, bitte verzeihen sie meine Kühnheit«, nuschelte sie, »aber ich habe einen großen Zweifel.«
Doña Maria del Roser hielt mit der Feder auf dem Heft inne, faltete die Hände und lächelte.
»Ich möchte nicht, dass Sie über das verärgert sind, was ich sagen möchte«, fügte Concha noch hinzu.
»Wenn du deine Frage nicht stellst, habe ich keine Gelegenheit, es zu erfahren.«
Concha flüsterte verschämt: »Die Señora weiß ja, dass ich keine Ahnung habe und dass ich mich mit meinen Vorstellungen manchmal täusche …«
»Um Himmels willen, Conchita! Jetzt frag endlich, was du wissen willst, und komm ohne Exkurs auf den Punkt!«
Das unbekannte Wort – Exkurs – bremste Concha für einen Augenblick. Das Wort klang nach etwas Schrecklichem, doch dann konnte sie weitersprechen: »Könnten Sie mir bitte mitteilen, ob es Gott tatsächlich gibt?«, brach es aus ihr hervor.
Doña Maria del Roser seufzte tief auf, sah zur Decke empor und blickte einen Moment lang ins Leere.
»Meine Liebe, du stellst mir da eine schwere Frage, und ich fürchte, ich habe darauf nicht die eindeutige Antwort, die du dir wünschst.« Sie legte eine Pause ein und wählte mit Bedacht ihre nächsten Worte. »Ich kann dir nur sagen, dass Gott für jeden von uns etwas anderes ist. Du musst ihn selbst in deinem Herzen suchen.«
In der Tat, diese Antwort befriedigte die Schülerin keineswegs. Concha war es nicht gewohnt, zu eigenen Schlussfolgerungen zu gelangen, und noch weniger, in sich hineinzublicken. Als sie bemerkte, dass sie mit ihrer Erklärung Concha nur noch mehr verwirrte, fügte Doña Maria del Roser hinzu: »Mit dieser Frage ist es genauso wie mit der eigenen Meinung von Frauen. Niemand kann dir dabei helfen, deinen Glauben oder deine Gedanken zu entwickeln. Das musst du selbst herausfinden. Du musst dich nur fragen, was Gott für dich bedeutet. Was soll er für dich darstellen?«
Das Anliegen der Angestellten ließ Doña Maria del Roser keine Ruhe. Die Frage nach der Wesenheit von Gott war damals keine Selbstverständlichkeit. Und erst recht nicht für eine junge Frau von nicht mal dreißig Jahren, die kaum lesen und schreiben konnte.
»Mein Beichtvater sagt immer, dass wir keine Fragen stellen …«
»Mich interessiert nicht, was dein Beichtvater sagt. Er irrt sich auch.«
Concha schüttelte überzeugt den Kopf und verteidigte somit den Beichtvater, den sie eigentlich vom ersten Tag an nicht leiden konnte.
»Nein, nein, nein! Gott leitet ihn!«, erwiderte sie.
»Aber er leitet auch dich, Conchita. Gott leitet uns alle. Wir alle sind seine Geschöpfe. Du darfst dich nicht verachten. Du bist genauso viel wert wie dein Beichtvater.«
Die junge Kinderfrau schüttelte
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