Die Geister schweigen: Roman (German Edition)
gäbe es zu viele Häkeldecken, und sie ordnete an, alle schleunigst abzunehmen. Währenddessen zählte Concha die Titel der Schellacksammlung auf, aber der Lax-Witwe erschien nichts passend für den Anlass. Weder Schuberts »Ave Maria« (»zu frömmlerisch für die Tageszeit«) noch Carlos Gardel mit »Pobre mi madre querida« (»Meine Güte, diese modernen Lieder sind so etwas von trist!«), und auch nicht »El relicario« der Couplet-Sängerin Raquel Meller (»Keinesfalls, in dem Lied geht es um dunkelhaarige Frauen, und sie ist goldblond, sonst fühlt sie sich noch beleidigt«) und auch nicht »La Santa Espina«, diese längst verbotene Sardana (»Herr im Himmel! Wirf das sofort weg. Es kann doch nicht sein, dass wir, seit Primo de Rivera an der Macht ist, keine Musik mehr aufgelegt haben!«). Als Concha den Tannhäuser entdeckte, ließ die Nervosität der Señora ein wenig nach, denn sie befand: »Wagner passt immer.«
Eine andere schwierige Frage war, was die Köchin zubereiten sollte. Alle wussten, dass Tatín Brusés keine Frau war, die es bei Gesellschaften in fremden Salons lange auf ihrem Platz hielt. Wenn Tatín Brusés ihr eigenes Haus verließ, immer in ihre ewige Wolke aus Rosenparfüm gehüllt, dann mit dem Vorsatz, schnell die Welt zu erobern. Es war allgemein bekannt, dass ihr dies schon mehrfach gelungen war. Für diesen Besuch hatte sie zudem eine kritische Uhrzeit gewählt: sechs Uhr abends. Dies war zu früh für einen Aperitif, aber auch zu spät für Tee und Gebäck. Gar nichts anzubieten wäre wiederum eine unverzeihliche Unhöflichkeit gewesen, sagte sich Maria del Roser. Kaffee kam ihr ebenso gewöhnlich vor wie Likör, bei einer Konditorei Süßspeisen zu bestellen, schien ihr etwas übereilt und zudem nicht sonderlich originell. Keine Lösung war nach ihrem Geschmack, und die Zeit lief ihr davon. Bis sie sich schließlich in ihrem Dilemma an Vicenta wandte und die Köchin mit nur fünf Worten verfügte: »Überlassen Sie das nur mir!«
Nun ist ihr Gespräch ebenso wie der Imbiss am Ende angelangt, und beide Damen können davon ausgehen, ihre Vorhaben erfüllt zu haben: Tatín, eine Lösung für das Problem ihrer kleinen Schwester zu finden, und Maria del Roser, ihren schwierigen Gast mit etwas Besonderem zu überraschen. So zufrieden, droht Mattheit das Treffen zu überwältigen. Doch da kommt Amadeo.
Die Lax-Witwe vernimmt das übliche Stolpern gegen die marmorne Weinranke und verkündet sofort stolz: »Da ist mein Sohn.«
In die knospende Blume kommt Leben, und sie gibt in ihrer Gefühlswallung einen kurzen Ausruf von sich.
Tatín sieht sie tadelnd an. ›Es reicht schon, dass du dich wie ein dummes Huhn verknallt hast, aber jetzt benimm dich wenigstens wie eine Dame‹, scheint ihr Blick zu sagen.
Denn um nichts Geringeres geht es bei ihrem Besuch. Das »delikate Thema«, von dem in dem Billett von Tatín, die immer für eine Überraschung gut war, die Rede war, hielt eine noch größere Überraschung parat, als Maria del Roser erwartet hatte.
»Señora, ich hasse es, unnötige Worte zu vergeuden«, hatte Tatín nach ihrem Austausch von Begrüßungsfloskeln begonnen, »und nach allem, was ich von Ihnen weiß, habe ich das Gefühl, dass ich offen mit Ihnen reden kann. Ich weiß nicht, seit wann, aber meine Schwester leidet unter ihrer Liebe zu Ihrem Sohn Amadeo wie unter einer Krankheit und ist deshalb die ganze Zeit traurig und unerträglich. Daher habe ich entschieden, zu Ihnen zu kommen, um zu sehen, ob uns beiden etwas einfällt, um das Leid des Mädchens ein wenig lindern zu können. Gleichzeitig möchte ich die Gelegenheit nutzen, um Sie und Don Amadeo zu Teresas Einführung in die Gesellschaft einzuladen, die wir nächsten Monat ausrichten werden. Denn ich befürchte, dieser Debütantinnenball wird eher an ein Begräbnis erinnern, wenn die junge Dame nicht besser gelaunt ist.«
Maria del Roser war auch gleich auf den Punkt gekommen. Sie erklärte den beiden Schwestern, dass ihr Sohn gesellschaftliche Verpflichtungen hasste und weder Debütantinnenbälle noch irgendwelche anderen gesellschaftlichen Festivitäten besuchte, bei denen er mit mehr als zehn Personen Umgang pflegen musste. Doch sie milderte diese schroffe Information dann doch ein wenig ab: »Sie müssen sich darüber im Klaren sein, dass er sich ganz seinem künstlerischen Talent hingibt. Für ihn sind solche Dinge nur Zeitverschwendung.«
»So soll es auch sein«, pflichtete Tatín bei.
Teresa hingegen wäre
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