Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Titel: Die Geister schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Care Santos
Vom Netzwerk:
Vertrautheit Bewunderung ausstrahlt. Diese Art von Bewunderung, die bei Frauen immer zu Verliebtheit führt.
    »Das ist doch gar nichts Besonderes. Aber die anderen Geschichten … Sie wissen ja: ›Und wer da suchet, der findet‹«, antwortet Modesto.
    Paredes hält damit das Vorspiel für beendet und taucht vollends in die Zeremonie ein, deren Zelebrant er selbst ist. Er bittet Modesto, unter der Polizeiabsperrung hindurch in die Besenkammer zu schlüpfen. Modesto weist die Aufforderung mit einer eleganten Handbewegung zurück, aber er betrachtet die Kammer aus einem gewissen Abstand. Dann schüttelt er den Kopf und stellt fest: »Ich hatte keine Ahnung, dass es das hier gibt.«
    Wie seine teilnahmslose Freundlichkeit zeigt, ist Modesto von der ganzen Angelegenheit äußerst gelangweilt.
    »Aber auf den Originalplänen für das Haus ist die Kammer eingezeichnet«, erläutert der Polizist.
    »Merkwürdig«, flüstert Modesto im gleichen Tonfall, mit dem er die Entdeckung eines neunten Beines bei einer Spinne verkündet hätte.
    »Gut. Gehen wir also hinein, meine Herrschaften.« Der Sargento spricht lauter, während er einige Papiere aus einer Mappe nimmt. »Ich möchte Ihnen sehr dafür danken, dass Sie gekommen sind. Angesichts der Bedeutung der Dinge, die ich Ihnen mitteilen muss, erschien es mir passender, alles persönlich zu bereden. Außerdem ist es für uns sehr wichtig, dass Señor Lax den Fundort der Leiche mit eigenen Augen sieht. Denn unter den gegebenen Umständen ist sein Gedächtnis die älteste Quelle, auf die wir zurückgreifen können.«
    »Na, dann ist die Ermittlung ja zum Scheitern verurteilt«, flachst Modesto.
    »Außerdem habe ich einige Neuigkeiten, die ich gerne mit Ihnen besprechen würde«, fährt Paredes fort, während er seine Papiere durchsieht. »Lassen Sie mich mit dem anekdotischen Teil beginnen: mit der Katze, die wir neben der Leiche gefunden haben. Sie war schon tot, als sie dort hingelegt wurde. Es war ein Katzenjunges, das gut genährt war und Dickens hieß. Zumindest steht das auf der Silberplakette an seinem Halsband. Was sagen Sie dazu?«
    »Das ist ein schöner Name für eine Katze. Ich habe einmal einen Kater gekannt, der hieß Tolstoi«, bemerkt Modesto.
    Sargento Paredes lächelt nicht. Er möchte endlich fertig werden. Er spricht weiter.
    »Da gibt es auch noch den Goldring, den die Leiche an der Halskette trug. Wir haben herausgefunden, wer dieser Francesc Canals Ambrós gewesen ist. Sie werden überrascht sein, wenn ich Ihnen darüber berichte.«
    Arcadio und Violeta tauschen Blicke aus, mit einem kaum wahrnehmbaren verschwörerischen Lächeln. ›Wie langsam‹, wollen ihre Blicke sagen.
    Der Sargento teilt ihnen weitere Daten zu dem Volksheiligen mit. Modesto hört aufmerksam zu. Die Story gehört zu der Sorte Geschichten, die ihn interessieren.
    »Also, es ist tatsächlich bewiesen, dass er Wunder bewirkt?«, fragt er.
    »Das sagt man«, antwortet Paredes. »Im Internet findet man einiges über ihn. Wir haben ein bisschen recherchiert und noch etwas herausgefunden. Er lebte in der Calle Valencia, in der Hausnummer 344, und er gehörte zur Kirchengemeinde der Iglesia de la Concepción. Bestimmt hat es einmal Informationen über ihn und seine Familie im Kirchenarchiv gegeben, aber das wurde im Bürgerkrieg zerstört. Er war nicht verheiratet. Im Friedhofsarchiv steht in der Zeile zur Berufsangabe ›Handel‹, aber wir haben nicht herausgefunden, wo er gearbeitet hat. Er wurde am 28. Juli 1899 in der Grabkammer 1682 in der dritten Wand im ersten Abschnitt des Ostfriedhofs beigesetzt. In diesem Bereich wurden zwischen 1876 und 1924 insgesamt sechs Menschen bestattet, nämlich noch zwei Kinder und drei Erwachsene. Wenn es Sie interessiert, kann ich Ihnen deren Namen sagen. Im September 1908 wurden seine sterblichen Reste in die Grabkammer 138 in der vierten Wand im Inneren des ersten Abschnitts verlegt, wo sie sich heute noch befinden. Der Anlass für die Verlegung ist nicht vermerkt, aber höchstwahrscheinlich hat es mit seiner Pilgergemeinde zu tun. Es ist ziemlich unbequem, jemanden zu verehren, dessen Grab in der sechsten Reihe liegt. Seine Eltern wurden später in derselben Grabkammer beigesetzt. Ihre Vornamen waren Francisco und Antonia. Mit der Verlegung seiner sterblichen Reste wurde die Grabstätte auch auf alle Ewigkeit von den Gebühren befreit und zu einer Art apokryphem Sanktuarium umgewandelt. Sind Sie schon einmal dort gewesen? Es ist wirklich

Weitere Kostenlose Bücher