Die Geister schweigen: Roman (German Edition)
nichts mehr herausfinden und noch weniger einen Verdächtigen ermitteln. Alles, was ich Ihnen gerade erzählt habe, können Sie in allen Einzelheiten den Berichten des Labors und des forensischen Entomologen entnehmen. Sie werden dabei feststellen, dass wir äußerst diskret vorgegangen sind. Und, glauben Sie mir« – bei diesen Worten blickt der Polizist zu Modesto und Violeta –, »es tut mir wirklich leid.«
Violeta liest den Bericht, sie ist sehr beeindruckt: genetische Marker … chromosomale Lokalisierung … vererbtes Allel …
»Was ist das?«, fragt sie und deutet auf eine der Seiten.
»Das ist der Bericht, in dem die Umstände ausgeführt werden, die verhindert haben, dass sich die Leiche zersetzt hat«, informiert Paredes. »Darin steht, dass die relative Feuchtigkeit in dem Unterschlupf etwa fünf Prozent betragen hat.«
»Sie haben gesagt, dass sie im Sommer getötet wurde«, mischt sich Arcadio ein, der bislang mit einem zweifelnden Blick zugehört hat. »Woher weiß man das?«
»Das ist ein Ergebnis des forensischen Entomologen. Es hat etwas mit bestimmten Parasiten zu tun, die in Blutergüssen entstehen können, aber anscheinend nur in den heißen Monaten. Man hat nicht immer das Glück, sie zu finden.«
Violeta liest, um das Gesagte zu verdeutlichen, mit gebrochener Stimme vor: »Sehr dehydriertes Gewebe, Präsenz von fakultativen Parasiten der Spezies Megaselia scalaris sowie von Speckkäfern und deren Resten.«
»Genau, Megasela scalaris«, bestätigt Paredes, »das ist es.«
Der Sargento ordnet die Papiere und legt sie in seine Mappe zurück.
»Ich werde darum bitten, dass man Ihnen eine Kopie zukommen lässt«, verspricht er. »Ich kann mir vorstellen, dass Sie den Bericht auch haben möchten.«
»Ehrlich gesagt, ich kann mir so einen Bericht nicht als Gutenachtlektüre vorstellen«, meint Modesto, ehe er fragt: »Gibt es sonst noch etwas?«
»Leider nicht. Außer der Bestattung der Verstorbenen, sobald die Richterin die Leiche freigegeben hat«, antwortet Paredes. »Unsere Ermittlung ist hiermit zu Ende. Von Rechts wegen wird der Fall sehr bald abgeschlossen sein. Bitte glauben Sie mir, ich bedaure es sehr, dass ich nicht mehr ausrichten konnte.«
»Sie haben sehr viel mehr getan, als notwendig war, das versichere ich Ihnen«, sagt Modesto, ohne herzlich klingen zu wollen, doch Paredes lächelt ihn dankbar an.
»Die Richterin wird Sie wegen der letzten Schritte anrufen. Dann können Sie alles veranlassen und wieder Ihr normales Leben führen. Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich gerne zur Beisetzung kommen.«
Niemand reagiert darauf, bis Modesto antwortet.
»Ach. Selbstverständlich haben wir nichts dagegen. Kommen Sie, wenn Sie möchten.« Er klatscht entschieden in die Hände. »Sagen Sie, Sargento, sind wir jetzt am Ende? Oder gibt es noch irgendein morbides Detail, das wir kennen sollten?«
»Von meiner Seite aus ist das alles. Aber ich glaube, der Herr von der Generalitat hat mit Ihnen noch etwas zu besprechen.«
Jemand gibt dem jungen Mann mit dem Handy Bescheid, dass er wieder hereinkommen kann. Er wirkt ungeduldig.
»Die Polizeiabsperrung wird heute noch aufgehoben«, teilt Paredes ihm mit. »Sofort danach können Sie mit den Vorbereitungen für die Feierlichkeiten beginnen.«
Der Beamte der Generalitat schnauft erleichtert auf, aber zugleich scheint er sich unbehaglich zu fühlen. Der Grund hierfür liegt in dem Gesichtsausdruck von einigen der Anwesenden.
»Was für Feierlichkeiten?«, fragt Arcadio.
»Nun, ich würde das nicht so bezeichnen«, verteidigt sich der junge Mann. »In Wirklichkeit geht es nur um eine Art Eröffnungsfeier für die Bauarbeiten. Wir hielten das für eine gute Idee, sozusagen einen symbolischen Akt, bei dem der Stadt das Gebäude wieder zurückgegeben wird.«
Violeta zieht die Stirn in Falten.
»Stehen denn Wahlen bevor?«, fragt Arcadio.
Die Erfahrung des Beamten reicht noch nicht, um eine so angespannte Situation mit diplomatischem Geschick zu lösen. Ganz im Gegenteil. Sobald er etwas sagt, tritt er ins nächste Fettnäpfchen. So wie jetzt: »Ich bin froh, dass nun der unerfreuliche Teil von allem vorbei ist. Sehen Sie, ich muss Sie um etwas bitten. Die Generalitat hält es für angebracht, die Geschichte mit der Leiche nicht öffentlich zu machen. Für die zukünftigen Nutzer des Gebäudes wäre es nicht sonderlich angenehm zu wissen, dass sie ihre Nase an einem Ort in Bücher stecken, an dem sich ein tragischer
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