Die Geister schweigen: Roman (German Edition)
beeindruckend.«
Allgemeines Verneinen. Violeta schweigt.
»Die einzige Verbindung, die ich derzeit zwischen diesem jungen Mann und Ihrer Familie erkennen kann, ist, dass Sie beide zur Gemeinde der Iglesia de la Concepción gehörten.«
»Es gibt doch einen Anhaltspunkt«, ergänzt Violeta zum Erstaunen fast aller Anwesenden, »das Warenhaus Grandes Almacenes El Siglo. Meine Familie war gut mit der Besitzerfamilie Conde bekannt. Mein Großvater hat einen von ihnen porträtiert, und zwar 1927 seinen Freund Don Octavio Conde. Dieses Porträt befindet sich zurzeit in einer Ausstellung in dem Museum, für das ich arbeite.«
Paredes zieht die Augenbrauen hoch.
»Wirklich?«, fragt er. »Wie auch immer, uns ist die Verbindung nicht ganz klar. Dieser junge Mann, dieser Volksheilige, starb 1899. Zu dem Zeitpunkt war das Opfer, das uns hier beschäftigt, noch nicht geboren. Ich glaube nicht, dass wir weiter in diese Richtung ermitteln sollten, und ich glaube auch nicht, dass es sich lohnt.«
»Sie haben mein vollstes Einverständnis«, betont Modesto, bereit, die ganze Angelegenheit für abgeschlossen zu erklären.
Aber Paredes ist noch nicht zu Ende.
»Inzwischen liegen uns die Ergebnisse der DNA-Analyse vor, und sie sind eindeutig.« Er dreht sich zu dem Beamten der Generalitat um, der schon wieder mit seinem Handy beschäftigt ist. »Entschuldigen Sie bitte, würde es Ihnen etwas ausmachen, uns einen Moment allein zu lassen? Denn diese Angelegenheit betrifft nur die Familie.«
Arcadio will sich ebenfalls zurückziehen, doch Violeta hält ihn auf.
»Du gehörst zur Familie«, meint sie.
Arcadio blickt suchend zu Modesto, der seine Zustimmung mit einem Kopfnicken erteilt. Auch Amélie bleibt.
Sobald die Glastür hinter dem Beamten geschlossen ist, spricht Paredes weiter: »Wie Sie sehen«, sagt er mit einem Finger auf den Bericht, »ist die Übereinstimmung der DNA zwischen Señor Lax und der Toten sehr hoch. Kurz gesagt: Im Labor geht man fest davon aus, dass es sich bei dieser Frau um Ihre Mutter handelt, Señor Lax.«
Die Bestätigung dessen, was Violeta vermutet hat, fällt wie bleischweres Schweigen über die kleine Gruppe. Modesto blickt nachdenklich zu Paredes hinüber. Er fragt, ob er die Papiere einsehen kann, und nimmt sich einige Minuten Zeit, sie durchzulesen. Am liebsten würde er darin etwas entdecken, was das soeben Gehörte widerlegt. Er reicht die Papiere an Violeta weiter, deren Atem schneller geht.
»Das habe ich befürchtet«, flüstert sie, als sie schriftlich vor Augen hat, was Paredes gerade gesagt hat. »Wie schrecklich!«
Paredes spricht weiter: »In Bezug auf die Lei…« – der Polizist verbessert sich – »auf die Verstorbene hat die Untersuchung einige konkrete Daten ergeben. Die Frau war etwa einen Meter sechzig groß und zum Zeitpunkt ihres Todes etwa dreißig Jahre alt. Ihre Kleidung sieht nach einem Satinnachthemd aus, aber es kann auch ein Morgenmantel gewesen sein. Bei den Stoffresten haben wir auch mit Satin bezogene Ösen und Knöpfe gefunden. An den Füßen trug sie Pantoffeln. Wir gehen davon aus, dass der Tod im Sommer eingetreten ist, und zwar zwischen den Jahren 1935 und 1940. Das stimmt mit dem Jahr überein, in dem das Wandbild gemalt wurde und auch mit dem Jahr, in dem Teresa Brusés verschwand. Wenn sie es ist und wenn wir die Daten heranziehen, die Sie uns mitgeteilt haben, könnte sie im Jahr 1936 verstorben sein, im Alter von neunundzwanzig Jahren, was ja stimmen würde. Die Todesursache steht auch fest: Tod durch Erwürgen. Die Tote wurde post mortem in der Kammer abgelegt, aber noch bevor die Totenstarre einsetzen konnte. Wir gehen davon aus, dass die Leiche niemals entdeckt wurde, denn das Fresko hat die gesamte Wand einschließlich der Tür verdeckt, auch wenn wir andere Begleitumstände nicht ausschließen können. In Bezug auf den Täter können wir leider keine Vermutungen wagen. Wir wissen weder, wer damals alles in dem Haus gelebt hat, noch wer ein Interesse daran gehabt haben könnte, diese Tat zu begehen. Außerdem befürchte ich, dass das keinerlei Bedeutung hat, denn er dürfte längst nicht mehr am Leben sein. Teresa Brusés hat fast nichts von dem Vermögen ihrer Familie geerbt, weshalb ein wirtschaftliches Motiv zunächst auszuschließen ist. Also bleibt noch der große Klassiker bei dieser Art Verbrechen, der zudem mit dem Modus operandi übereinstimmen würde: ein Verbrechen aus Leidenschaft. Nach so langer Zeit kann man jedoch eigentlich
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