Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Titel: Die Geister schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Care Santos
Vom Netzwerk:
Generationen vielleicht nichts zum Bewundern.
Jahrelang habe ich aus absoluter Überzeugung dazu beigetragen, die wirkliche Teresa aus dem Gedächtnis der Familie auszulöschen. Für mich ist sie immer nur ein künstlerisches Motiv gewesen, eine beglückende Inspiration, den Damen der hohen Gesellschaft ebenbürtig, die dank Großvater ihren Charme und ihren Ruf über die Jahrzehnte hinweg unbeschadet konservieren konnten.
Jetzt nicht mehr. Nun habe ich das Gefühl, dass mir Teresas Blick vorwirft, so leichtgläubig gewesen zu sein. Ich habe das Gefühl, dass mich meine Großmutter fragt, warum ich mich niemals getraut habe, ein wenig tiefer zu dringen. Beispielsweise zu dem tatsächlichen Ausdruck ihres Gesichtes, mit dem sie ihr Baby ansieht.
Mama, ich glaube, wir hätten niemals aufhören dürfen, diese Fotos zu betrachten. Sie enthalten eine Wahrheit, die alles verändern kann.

Gute Nacht!

Violeta

P. S.: Beinahe hätte ich es vergessen! Gestern habe ich den Friedhof in Poble Nou besucht, nur um zu überprüfen, ob das stimmt, was in dem Blog steht, dessen Link du mir geschickt hast. Die Grabstätte von Francesc Canals Ambrós ist wirklich unglaublich. Der Ort ist genauso, wie er in dem Beitrag beschrieben ist. Lach nicht, aber ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, mir von dem kleinen Volksheiligen etwas zu wünschen. Ich habe etwas auf einen Zettel geschrieben und durch den Spalt geschoben.
Wenn mein Wunsch in Erfüllung geht, erzähle ich es dir.

X
    Im ehemaligen Patio beginnt eine neue Vorstellung. Man hört Stimmen auf der Treppe. Sieben Personen betreten die Szene. In der Reihenfolge ihres Auftrittes: Arcadio Pérez, das Beamtenküken, Sargento Paredes, ein Helfer in Uniform, Violeta Lax, eine junge Frau mit französischem Akzent namens Amélie, die als »die Sekretärin meines Vaters« vorgestellt wurde, sowie Modesto Lax, dessen Anwesenheit alle Aufmerksamkeit auf sich zieht, noch bevor er ein Wort sagt.
    »Besser ›Assistentin‹, bitte«, präzisiert er aus Respekt vor der jüngeren Frau.
    Wären sie Schauspieler, dann würden sie ihre jeweiligen Rollen, die sie spielen, perfekt beherrschen. Modesto tuschelt Amélie ins Ohr. Violeta und Arcadio wirken unruhig, sie sind Beobachter, die den Moment herbeisehnen, in dem endlich das passiert, was unweigerlich passieren muss. Die Männer in Uniform geben sich geschäftig, jeder nach seinem Rang. Der Beamte der Generalitat wühlt in seiner Tasche nach seinem Handy, kaum dass er durch die Glastür geschritten ist. Er geht dran und blafft hinein: »Ich bin gerade in einem Meeting, ich rufe später zurück.« Sein leicht überdrüssiges Gesicht heitert sich nach dem, was er auf der anderen Seite hört, ein wenig auf. »Ja, natürlich, die Party findet bei mir statt. Bring mit, worauf du Lust hast.«
    Er legt auf und tut dabei so, als habe er gerade eine wichtige Angelegenheit geregelt. Modesto zieht eine Augenbraue hoch.
    »Ach so, Barça. Ich hatte schon fast vergessen, dass der Fußball die wahre Religion dieser Stadt ist.« Er betrachtet alles mit dem abwesenden Gesichtsausdruck eines Menschen, der die Distanz wahren will, als wäre er besorgt, der Staub könne sein makelloses Aussehen beeinträchtigen. Vielleicht befürchtet er aber auch nicht den Staub, sondern die Vergangenheit. Womöglich als Bestandteil seines Verteidigungsmanövers fragt er: »Wetten, dass Sie nicht wissen, woher die Vereinsfarben von Barça kommen?«
    Violeta verzieht verärgert das Gesicht. Paredes scheint eher belustigt. Arcadio zieht bewundernd beide Augenbrauen hoch und flüstert: »Ich finde seine Anekdoten faszinierend. Die sind doch höchst amüsant.«
    Modesto, dem die Bemerkung geschmeichelt hat, antwortet: »Nein? Was sind Sie denn für Barça-Fans! Das sind die Wappenfarben des Tessin. Das ist ein italienischsprachiger Kanton in der Schweiz; die eine Hälfte ist blau, die andere ist rot. Daher stammte ein Mann mit einem furchtbar komplizierten Namen, der sich hier Joan Gamper nannte, um den Einheimischen die Sache zu erleichtern. Er war der Gründer von Barça. Er war Stürmer beim FC Zürich und ließ sich von den Vereinsfarben des FC Basel inspirieren, einem Schweizer Verein, der auch in Blaurot spielt. Aber später hat der arme Mann wegen zu hoher Schulden Selbstmord begangen.«
    »Wo haben Sie denn all diese Geschichten her?«, fragt der Beamte von der Generalitat. »Sie sind ja ein wandelndes Lexikon!«
    Modesto lacht und sucht mit seinem Blick Amélie, deren

Weitere Kostenlose Bücher