Die Geister schweigen: Roman (German Edition)
102 × 45 cm
Barcelona, Privatsammlung, Sonderleihgabe
Amadeo Lax hat den Mann, den er jahrelang für seinen besten Freund hielt, nur ein einziges Mal porträtiert. Octavio Conde war der älteste Sohn des Gründers vom Warenhaus Grandes Almacenes El Siglo und fungierte zwischen 1927 und 1932 als Vorsitzender des Unternehmens. Wie Lax 1889 geboren, lernten sich die beiden als Schüler im Jesuiteninternat in Sarrià kennen, wo sie anscheinend enge freundschaftliche Bande knüpften. Später waren beide Männer – jeder auf seinem Gebiet – in ihren Berufen äußerst erfolgreich, wodurch sich mehr als einmal die Gelegenheit zur Zusammenarbeit ergab.
Dieses Porträt, das hiermit zum ersten Mal der Öffentlichkeit gezeigt wird, bildet diskret die wirtschaftliche Macht der Familie Conde ab. Der Porträtierte steht aufrecht, im Cut gekleidet, hinter seinem Schreibtisch, auf dem der Maler eine Reihe Gegenstände platziert hat, die eine interessante symbolische Botschaft entfalten: der Olivenzweig als Zeichen für Fleiß, der Wasserkrug steht für die Klarsicht, das Buch als Symbol für Weisheit sowie die Waage als Sinnbild für die kaufmännische Ehrlichkeit. Das Bild mit seiner ausgeprägten Betonung der Vertikale zeigt Lax’ Interesse an dem zeitgenössischen Realismus, schließlich sind die Gegenstände naturgetreu wiedergegeben und mit langen und lockeren Pinselstrichen ausgeführt.
Octavio Conde und Amadeo Lax verband eine enge Beziehung bis zum Jahr 1932, in dem Conde – angeblich wegen seiner unmöglichen Liebe zu Teresa Brusés, der Gattin seines Freundes – von Barcelona in die Vereinigten Staaten übersiedelte, um dort eigene Geschäfte aufzubauen. Von da an ist über sein Leben nichts mehr bekannt. Wie nicht anders zu erwarten, fand damit auch die Freundschaft zwischen Lax und Conde ein jähes Ende, die sich danach nie wieder begegneten.
Amadeo Lax gestaltete diverse Werbeplakate für das Warenhaus, aber ebenso Porträts von Don Eduardo Conde und Doña Cecilia Gómez del Olmo – den Eltern seines Freundes – sowie von weiteren Mitgliedern der Gründerfamilie des Handelsimperiums wie Don Ricardo Gómez. Diese Porträts schmückten gemeinsam mit diesem Gemälde die Vorstandsräume der Handelsgesellschaft; die meisten Bilder fielen jedoch bei dem Großbrand den Flammen zum Opfer, der das Warenhaus am Morgen des ersten Weihnachtsfeiertags 1932 vollständig zerstörte. Dass das Porträt von Don Octavio das Feuer überdauert hat, ist dem glücklichen Umstand zu verdanken, dass es sich zu der Zeit als Leihgabe in der Galerie Sala Parés befand, wo im Dezember 1932 eine Einzelausstellung mit Werken von Amadeo Lax eröffnet wurde. Zur gleichen Zeit zeigte das Warenhaus El Siglo in seinen Ausstellungsräumen eine Gesamtschau aller Werbeplakate, die der Künstler bis dato für das Warenhaus entworfen hatte, die aber bei der genannten Brandkatastrophe vernichtet wurden.
Spanische Porträtmaler des 20. Jahrhunderts (Ausstellungskatalog des Art Institute of Chicago) , Chicago 2010
XI
Im Untergeschoss des Hauses Lax und sogar in einigen der oberen Stockwerke wunderte man sich, als bekannt wurde, dass die muntere Vicenta und der langweilige Julián die Nacht miteinander verbracht hatten.
»Erst tun sie wie Wasser und Öl, und dann das«, brummte Eutimia.
Vicenta war 1910 in Stellung gekommen, um die Köchin Juanita zu ersetzen, die plötzlich im Alter von siebzig Jahren im Schlaf gestorben war. Vicenta stand kurz vor dem Verhungern, verfügte aber über einen guten Leumund. Sie trat kein leichtes Erbe an: Die drei Sprösslinge der Herrschaften waren mit den Gerichten der Verstorbenen groß geworden, nach denen sich ebenso die Erwachsenen des Hauses sehnten, und zu allem Überfluss saß Juanitas Witwer den ganzen Tag am Küchentisch und starrte mit Tränen in den Augen und bebenden Lippen ins Herdfeuer.
Vicenta war vierundzwanzig Jahre alt, sie kam vom Land, war ein wenig derb, aber sehr gewitzt und außerdem fleißiger als alle. Sie zauberte ein paar Asse aus dem Ärmel wie das Rezept ihrer Mutter für Milchreis – für diese reichen Katalanen ein überraschendes Dessert – oder die Überzeugung, sie könne mit schlichten und unverfälschten Gerichten die Welt erobern.
Was Julián an ihr gefiel, war offensichtlich. Vicenta hatte große schwarze Augen, buschige Augenbrauen und eine üppige Mähne, deren Locken ihr bis zur Taille reichten. Ihr Anblick erinnerte eher an ein wildes Tier. Außerdem wirkte
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