Die Geister von Rosehill: Roman (German Edition)
Rücken klebte und dessen Ärmel er bis über seinen Bizeps aufgerollt hatte. Nur ein Schotte, ob Highlander oder nicht, konnte einen Kilt so tragen, als wäre er damit geboren worden. Mir kam es so vor, als seien der Stolz und die wilde Leidenschaft seiner Vorfahren in David wieder ungehindert zum Vorschein getreten, sobald er seine Hosen mit diesem Stück karierten Wolltuchs vertauscht hatte. Er schien aus einer anderen Zeit zu sein, nicht mehr aus diesem Jahrhundert, und in seinem Blick schimmerte hin und wieder das siegesgewisse Funkeln eines Kriegers auf.
Ja, ich hätte meine Verzückung allein auf den Kilt schieben können, aber das wäre nicht ganz ehrlich gewesen. Es war der Mann selbst, der mich in seinen Bann zog, und nicht sein Aufzug.
David hörte auf, sich zu drehen, und die blauen Augen lächelten mich an. Er strich mir eine Strähne aus dem Gesicht, die sich aus meiner geflochtenen Frisur gelöst hatte, und bewegte lautlos die Lippen.
»Was?«
Dann verstand ich ihn. »Zu viele Menschen.«
»Welche Menschen?« fragte ich, und das Lächeln breitete sich auf seinem ganzen Gesicht aus.
»Komm mit«, sagte er und zog mich zur Tür. »Laß uns ein wenig frische Luft schnappen.«
Die Nacht war klar und warm, der Wind hatte sich ausnahmsweise einmal gelegt. Das Wasser im Hafen lag glatt wie Glas unter einem Mond, an dem nur noch ein kleiner Streifen fehlte, um ihn voll zu machen. Die Fleetwing war mit der letzten Flut hinausgefahren, und an ihrer Stelle trieb ein kleiner, heller Fleck auf dem Wasser. Ich hielt ihn zuerst für eine Spiegelung des Mondlichts … bis er Gestalt annahm, sich bewegte, aufrichtete und seinen langen Hals suchend in die Dunkelheit streckte. Der Schwan.
»David.« Ich blieb stehen und faßte ihn am Arm. »Sieh mal.« Ein zweiter Schwan löste sich aus dem Schatten der Kaimauer und schwamm mit elegant gebogenem Hals und eingefalteten Flügeln auf den ersten zu, berührte ihn kurz und glitt mit ihm zusammen davon. »O David, sieh nur – er hat eine Gefährtin gefunden.«
David sah ihnen nach und sagte nichts. Nach einer Weile zeigte sich ein verhaltenes Lächeln auf seinem Gesicht, er wandte sich vom Hafen ab und zog mich weiter, wobei sein Arm warm auf meinen Schultern ruhte.
Ich achtete nicht darauf, welche Richtung wir einschlugen, es war mir egal, wohin wir gingen, solange ich bei David war. Auf einmal endete der gepflasterte Weg, und der Boden wurde unebener. Ich konnte das Meer jetzt unter uns hören und sah Gischt gegen die Felsen schlagen.
Ich riß mich mit Mühe aus meiner träumerischen Stimmung und sah mich um. »Wo sind wir?«
»Auf der ehemaligen Festung von Eyemouth.«
Natürlich, dachte ich, wir befanden uns auf der felsigen Landzunge, die hinaus ins Meer ragte, auf den roten, mit langem Gras bewachsenen Klippen. Davids Platz, an den er sich als Kind zum Nachdenken zurückgezogen hatte.
Man brauchte nicht viel Phantasie, um sich vorstellen zu können, daß dort einmal eine Festung gestanden hatte – einige der Felsen ragten steil wie ehemaliges Mauerwerk in die Höhe. »Paß auf, tritt nicht in das Haggis-Loch«, warnte mich David, als er mir über einen mit Grasbüscheln bestandenen Erdhügel half.
»Ein Haggis«, sagte ich unbeeindruckt, »ist nichts als eine Wurst im Schafsmagen.«
»Na, wart’s ab«, entgegnete er mit unbewegter Miene, »wenn du erst einmal auf einen getreten bist, sagst du das nicht mehr. Bösartige kleine Dinger.«
Ich seufzte, machte einen Schritt über das angebliche Haggis-Loch hinweg und ließ mich neben ihm im Schutz einer Felswand nieder.
Wir lagen eher, als daß wir saßen, unsere Rücken in das weiche Gras des Hangs geschmiegt. Ich lehnte den Kopf zurück und sah in die glitzernde Ewigkeit des Sternenhimmels hinauf.
David schwieg lange und lag einfach nur da, die Hände hinterm Kopf verschränkt. Plötzlich sagte er: »Verity.«
»Ja?«
»Wie wirst du dich wegen Lazenbys Job-Angebot entscheiden?«
Ich rollte meinen Kopf zur Seite, um ihn anzusehen. »Was?«
»Du weißt, was ich meine. Alexandria.«
»Woher weißt du davon?«
»Adrian hat es mir erzählt.«
Ich machte mir im Geist eine Notiz, Adrian bei unserer nächsten Begegnung eine Ohrfeige zu verpassen, und wies David darauf hin, daß mir bis jetzt überhaupt noch kein Job angeboten worden war. »Lazenby hat mich noch nicht angerufen und gefragt …«
»Aber wenn er dich fragt«, unterbrach mich David ruhig. »Was wirst du ihm antworten?«
Ich betrachtete
Weitere Kostenlose Bücher