Die Geister von Rosehill: Roman (German Edition)
nie so genau.
Ich selbst hätte mich jedenfalls wesentlich besser gefühlt, wenn Quinnell nicht gerade dieses Wort benutzt hätte: Gewissen.
»Meine Mutter«, fuhr er fort, »hielt sich für eine Spiritistin, aber zu ihrer Zeit war das auch die große Mode – Séancen und Tischerücken und all dieser Unsinn. Ich habe nie daran geglaubt und tue es in den meisten Fällen immer noch nicht.«
»Aber Robbie McMorran …«
»Robbie ist ein besonderer Fall.« Er nahm sich noch einen Keks und lehnte sich wieder entspannt zurück. »Zum einen hat mich eine alte Freundin mit ihm bekannt gemacht, deren Meinung ich sehr schätze. Und zum anderen hat er mir schon Dinge erzählt … nun, sagen wir einfach, er ist sehr überzeugend.« Er lächelte sanft und betrachtete mein Gesicht. »Sie sind nicht überzeugt, wie ich sehe.«
Ich zögerte und suchte nach Worten, die nicht beleidigend klangen. »Ich habe den Jungen gerade erst kennengelernt, und wir haben nicht viel miteinander gesprochen, weil er krank war.«
»Nein, nein, ist schon in Ordnung«, sagte er und schlug seine langen Beine übereinander. »Das ist die natürliche Reaktion, meine Liebe. Ich glaube, ich würde mir Sorgen über jemanden machen, der den Gedanken an Übersinnliches einfach fraglos akzeptiert. Geister und Kobolde, Gespensterspuk und Hellseher – all das ist sehr weit entfernt vom wissenschaftlichen Denken, und wir sind alle Kinder des wissenschaftlichen Zeitalters.«
Wieder spürte ich, wie sich mein Gewissen regte, und ich wandte meinen Blick ab und tat, als fände ich die schlafende Katze auf einmal ungeheuer interessant. »Mister Quinnell …«
»Bitte nennen Sie mich Peter.«
»Peter … es gibt etwas, das ich Ihnen sagen muß.«
»Ja?«
»Es geht um die Radaruntersuchung …«
Meine Teetasse landete mit unbeabsichtigt lautem Klappern auf der Untertasse, und Charlie öffnete vorwurfsvoll ein Auge. »Ich habe heute das Ergebnis oben im Labor gesehen, und ich glaube, es hat da eine Verwechslung gegeben. Ich glaube, das Ergebnis ist nicht korrekt.« So, dachte ich, jetzt habe ich es gesagt. Und zwar, ohne Adrian direkt der Lüge zu bezichtigen und Quinnell zu sagen, daß seine Enkelin das Täuschungsmanöver eingefädelt hatte. Ich hielt den Atem an und wartete darauf, daß er mich fragte, warum ich der Untersuchung nicht traute. Als die Frage nicht kam, hob ich den Kopf.
Die großen, länglichen Augen begegneten mir mit einem warmen, anerkennenden Blick. »Eine Eigenschaft, die man heutzutage nur noch selten findet«, sagte er. »Ehrlichkeit.«
Ich starrte ihn an. »Sie haben es gewußt.«
»Ich hatte so meinen Verdacht. Er hat also das Untersuchungsergebnis einer anderen Ausgrabungsstätte genommen? Einer, auf der Sie beide gearbeitet haben?« Die Antwort muß sich auf meinem Gesicht abgezeichnet haben, denn er nickte zufrieden. »Und Sie haben es erkannt. Pech für Adrian, obwohl es ursprünglich bestimmt nicht seine Idee war. Ich vermute, daß Fabia ihn angestiftet hat. Meine Enkelin, fürchte ich, hat ein Talent dafür, junge Männer auf Abwege zu führen.«
Der Scharfblick, von dem ich am Abend zuvor schon einen Anflug erspäht hatte, war also keine Einbildung gewesen. Diese schläfrig wirkenden Augen sahen mehr, als sie vermuten ließen. Was nicht hieß, daß er nicht trotzdem verrückt war, ermahnte ich mich. Es hieß lediglich, daß Peter Quinnell kein Dummkopf war.
Er lächelte mich an und sagte: »Ich werde mir natürlich nichts anmerken lassen. Und Sie dürfen ihnen nicht verraten, daß ich es weiß. Das wäre ihnen bestimmt furchtbar peinlich. Ich bin sicher, daß sie es mit den besten Absichten getan haben, und es ist immer klug, wenn man junge Leute sich ein wenig überlegen fühlen läßt.«
»Aber Ihre Ausgrabung …«
»Oh, ich beabsichtige nichtsdestoweniger, in der südwestlichen Ecke zu beginnen. Robbie ist sich sehr sicher, daß dort etwas zu finden ist, und deshalb können wir genausogut dort wie anderswo anfangen.«
Er klang so sicher, dachte ich. Ich kraulte stirnrunzelnd Charlies Ohren. »Mister Quinnell …«
»Peter.«
»Es tut mir leid, so skeptisch zu sein, aber mir ist einfach nicht klar, welche Beweise Sie haben, daß die Neunte Legion jemals hier war.«
»Keine Beweise«, gestand er liebenswürdig. »Obwohl meine Entscheidung für Rosehill nicht ganz so beliebig war, wie es vielleicht den Anschein hat. Ich bin nun schon seit fünfzig Jahren hinter der Neunten her, und ich habe eine Art
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